Zündender Funke gegen allgemeine Apathie

■ Bernd Fick, der an der Technischen Universität Berlin ein „Studienbüro“ leitet, über Mittel und Wege, wie Studentinnen und Studenten ihr Studium mitreformieren können

taz: Bernd Fick, du bist seit kurzem nicht mehr Student. Wie schätzt du denn den Streik und die studentischen Proteste ein?

Bernd Fick: Ich habe ein zwiespältiges Verhältnis dazu. Ich glaube, daß diese Bewegung schon sehr erfolgreich war. Hier in Berlin sind ja zum Beispiel wesentliche Ansinnen der Senatsverwaltung nicht beschlossen worden. Etwa die Ermächtigung der Staatsseite gegenüber den Universitäten, die unsere Arbeit in den Studienbüros letztlich überflüssig gemacht hätte. Auch die Studiengebühren sind nicht gekommen. Andererseits herrscht bei vielen Studierenden eine Grundstimmung wie: Die finanzielle Ausstattung der Unis ist zwar katastrophal, aber es ist nicht zu ändern. Da ist eine gewisse Resignation eingetreten, und, wie so häufig, flüchten sich die Studierenden in die Individualität: Jeder versucht, für sich selber durch das Chaos zu kommen. Schlimm ist, daß an der TU nun zuerst Wahlbereiche gekürzt werden sollen. Die Studierenden nehmen das mit Achselzucken zur Kenntnis. Aber das heißt natürlich, daß für Reform und Interdisziplinarität überhaupt keine Spielräume mehr da sind, wenn das Studium auf Kernbereiche reduziert wird. Bei den Protesten gab es sehr kreative Aktionen. Wie ist das zu erklären, daß eine ansonsten ziemlich apathische Studentenschaft auf solche Ideen kommt?

Die Vollversammlungen waren sehr gut besucht. Ich glaube, daß das über vieles hinausgeht, was wir in den letzten Jahren erlebt haben. Die Kreativität kommt daher, daß ein wesentliches Manko an der Uni die Unmöglichkeit zur Kommunikation ist. Wenn dann ein zündender Funke kommt und sich die Studenten in Aktionen zusammenfinden, dann ist das etwas, das vielen Bedürfnissen entgegenkommt. Für viele ist das eine sehr angenehme Situation. Die haben in den vierzehn Tagen des Streiks mehr Leute kennengelernt als in mehreren Semestern an der Universität. Das bricht sich dann Bahn in kreativen Aktionen.

So manches Institut „entrümpelt“ seine Studienordnung seit zehn Jahren. Weil der Gesetzgeber in Berlin es so will, soll das nun mit allen 900 Studiengängen der Stadt binnen eines Jahres gehen. Kann das klappen?

Meiner Erfahrung widerspricht das auch. Mit jedem neuen Trend, vor allem in der Ingenieurswissenschaft, kommen mehr und neue Lehrinhalte ins Curriculum – Beispiel Informationstechnik. Ich bin sehr gespannt, ob es gelingen wird, da was rauszunehmen. Die DozentInnen halten ihr eigenes Fach jeweils für besonders wichtig.

Kann der Gesetzgeber das durch Druck von außen beschleunigen?

Die gesetzlichen Forderungen bringen erheblichen Druck. Außerdem kommen auf die Studierenden künftig Sanktionen zu, wenn sie zu lange brauchen. Da muß man mal sehen, ob die StudentInnen das innerhalb der Uni in Reformdruck umwandeln können. Dagegen stehen besonders die Widerstände der Professoren, die ihr jeweiliges Fach vertreten. Und dann gibt es noch die furchtbaren Rahmenbeschlüsse der Kultusministerkonferenz, die etwa für Maschinenbau und Verfahrenstechnik eine Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugrunde legen. Weil man sich nicht einigen konnte, wurde bei neu hinzukommenden Lehrinhalten als Kompromiß einfach die Wochenarbeitszeit von 50 auf 60 Stunden erhöht. Das schafft natürlich kein Mensch.

Wie könnte man die Studierenden denn angemessen beteiligen?

In Berlin schreibt das Hochschulgesetz Ausbildungskommissionen in jedem Fachbereich vor. Da haben die Studierenden die Mehrheit. Das ist genau der richtige Hebel, um diese „Entrümpelung“ zu betreiben. Letztlich aber beschließt dann ein Fachbereichsrat, in dem wieder professorale Mehrheiten gelten.

Wir sitzen in einem „Studienbüro“, einer Innovation der TU. du bist seit ein paar Wochen Studiensekretär. Wie kann ein solches Büro die Studienreform vorantreiben?

Wesentlich dabei ist, daß erstmals Leute da sind, die sich mit voller Arbeitszeit um dieses Thema kümmern, und nicht mehr Ehrenamtliche. Das gibt eine gewisse Professionalisierung und Kontinuität, weil wir für fünf Jahre dabei sind. Wir arbeiten als wissenschaftliche MitarbeiterInnen den Ausbildungskommissionen konzeptionell zu; wir untersuchen die Studiensituation, wir betreiben die Evaluierung von Lehrveranstaltungen. Das zweite ist, daß die Büros nicht nur einen, sondern mehrere Studiengänge betreuen. So wird nicht einfach die jeweilige Tradition der Studiengänge ohne Blick über den Tellerrand fortgeschrieben. Interview: Christian Füller