Tausende UNO-Opfer in Somalia?

■ US-Diplomat spricht von bis zu 10.000 Toten und bestätigt Zahlen Aidids / Alle Staaten außer Ägypten und Pakistan ziehen demnächst ihre Blauhelme ab

Addis Abeba/Mogadischu/New York (AFP/wps/taz) – 6.000 bis 10.000 Tote: Diese Bilanz der blutigen Kämpfe in Somalia zwischen dem 5. Juni und dem 3. Oktober, als sich UNO-Truppen und Anhänger des Milizenführers General Aidid in Mogadischu gegenüberstanden, nannte jetzt der US-Somaliabeauftragte Robert Oakley gegenüber der New York Times. Oakley berichtet pikanterweise, er habe seine Informationen von Aidid erhalten, und es gebe nach Rücksprache mit dem US-Geheimdienst und mit Mitarbeitern von UNO und Hilfsorganisationen keinen Grund, daran zu zweifeln. Zwei Drittel der Opfer, so wurde im gleichen Zeitungsbericht der US-Generalmajor Anthony Zinni zitiert, seien somalische Frauen und Kinder gewesen.

Robert Oakley hatte den ersten US-Einmarsch in Mogadischu vor einem Jahr politisch koordiniert. Nach Übergabe der Militärintervention an die UNO Anfang Mai verließ er Somalia und kehrte erst im Herbst wieder zurück, als der immer heftigere Krieg in Mogadischu die gesamte UNO-Operation in Somalia (Unosom II) zu kippen drohte. Oakley suchte die Verständigung mit Aidid, erreichte die Aufhebung des UNO-„Haftbefehls“ gegen den Milizenchef und bewog ihn letzte Woche zur Teilnahme an den gegenwärtigen Somalia-Verhandlungen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba über die politische Neuordnung Somalias im nächsten Jahr, die bisher noch kein konkretes Ergebnis gebracht haben.

Oakleys Übernahme der Aidid- Position, wonach die UNO-Blauhelme regelrechte Massaker unter Somalis angerichtet hätten, ist jedoch in US-Kreisen nicht unumstritten. Am Mittwoch machte der Kommandeur der US-Truppen in Somalia, General Montgomery, erneut Aidid für die Eskalation im Sommer verantwortlich.

Unterdessen laufen die Pläne für einen vollständigen Abzug der gegenwärtig 18.000 US-Soldaten in Somalia bis Ende März nächsten Jahres auf Hochtouren. Nach US- Presseberichten wird nach diesem Zeitpunkt nur noch eine symbolische Militärpräsenz der UNO in Somalia vorhanden sein. Von den 29 Ländern, die jetzt Soldaten in Somalia stationiert halten, hätten nur Ägypten und Pakistan zugesagt, ihre insgesamt 5.000 Mann auch nach dem 31. März 1994 in Somalia zu belassen. Ein Truppenentsendungs-Bittschreiben von UNO-Generalsekretär Butros Ghali an die Regierungen von 42 Staaten habe so negative Reaktionen hervorgerufen, daß die UNO jetzt erwäge, die bisher unter anderem von Bundeswehrsoldaten geleisteten Transport- und Logistikaufgaben privaten Unternehmen zu übertragen. D.J.