Salman Rushdie diplomatisch anerkannt

■ Diesmal hatte Kinkel Zeit für den Schriftsteller

Bonn (AFP/taz) – Salman Rushdies Ein-Mann-Überlebensdiplomatie ist endlich auch von der Bundesregierung anerkannt worden. Gestern wurde der seit mehr als vier Jahren versteckt lebende Schriftsteller erstmals von einem Mitglied der Bundesregierung empfangen. Außenminister Klaus Kinkel (FDP), der bei Rushdies letztem Bonn-Besuch im Oktober 1992 gerade in Peking weilte und Rushdie zu einem Abteilungsleiter schickte, war diesmal da und forderte den Iran in der gestrigen Menschenrechtsdebatte des Bundestages auf, das Todesurteil gegen Rushdie aufzuheben. Auf der Veröffentlichung eines Buches dürfe nicht die Todesstrafe stehen. Eine entsprechende Resolution verabschiedete der Bundestag anschließend einstimmig. Auf dem Programm von Rushdie, dessen Besuch auf Einladung von Günter Wallraff stattfindet, standen auch Gespräche mit Norbert Blüm (CDU) und SPD-Chef Scharping.

Rushdie hatte Anfang November bei einem Literatentreffen in Straßburg schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung erhoben. Bei dem Besuch des iranischen Geheimdienstchefs Ali Fallahjan, der vom Staatsminister im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), empfangen worden war, habe die Bundesregierung „den roten Teppich für den größten Terroristen der Welt ausgerollt“. Der Bundestag habe zwar Sanktionen gegen den Iran zugesagt, diesen Ankündigungen aber nichts folgen lassen.

Kinkel verteidigte in dem Gespräch mit Rushdie die Bundesregierung: Sie führe mit dem Iran einen „kritischen Dialog“. Ziel sei es, den deutschen Einfluß für die Einbindung des Landes in die internationale Staatengemeinschaft geltend zu machen. Von einer koordinierten Aktion der EU-Staaten in Teheran mit dem Ziel, den Mordbefehl aufzuheben, ist allerdings weiterhin nicht die Rede.