Bauen Sie mit Ingo-Modulen!

■ Ziegel zu Kunstgetier: Das HfK-Projekt „Vom Baustoff der Kunst“ / Ausstellung in der Dechanatstraße

„Und wenn ein Künstler sagte, ich brauche Ziegel, dann kam ein Gabelstapler und stellte ihm drei Tonnen Ziegel hin.“ Das war einer der Vorteile, die Fritz Vehring einfallen, wenn er über das „Ziegelprojekt“ der Hochschule für Künste (HfK) sprechen soll. Vehring ist Leiter einer Keramiker-Klasse an der HfK. Seine StudentInnen gingen im Sommer –92 „in die Produktion“, sprich in nahe und ferne Ziegeleien, um unter den Augen der Ziegelarbeiter mit diesem so emotional besetzten Werkstoff zu arbeiten. In der Galerie der HfK in der Dechanatstraße sind jetzt für ein paar Tage diejenigen Arbeiten ausgestellt, die transportabel waren.

In der Vorweihnachtszeit letzten Jahres ereignete sich auf der zur „Kunstmeile“ umgetauften Ladenzeile am Wall ein umfangreicher Kunstklau: 800 kleine Ziegeldackelchen wurden auf dem Bürgersteig aufgestellt und verschwanden ebenso schnell wieder durch Liebhaberhand. „Daraus schließe ich einerseits auf die Attraktivität des Materials von Ziegelsteinen, andererseits auf deren Wertigkeit als Kunstobjekt,“ findet Ingo Vetter, der in der Ausstellung „Ziegelprojekt – Vom Baustoff der Kunst“ nunmehr kleine Hirsche zeigt. Vetter hatte in Nenndorf (Ostfriesland) eine kleine Ziegelei entdeckt, die heute wie ehedem den Stein zwei Wochen lang im Ringofen brennt, wobei bunte und geflammte „Unikate“ entstehen. Mit der richtigen Schablone warf die Ziegelpresse Hunde und Hirsche aus.

Was die beteiligten KünstlerInnen in fernen Ziegeleien ohne Aufsicht trieben, bestimmten sie allein, und infolgedessen findet sich kein Begriff, die entstandenen Arbeiten zusammenzufassen. Von einer eher traditionellen gemauerten Stele (Thomas Diermann) bis zur kompletten Fassadengestaltung einer Ziegelei in Vechta (Heidrun Kohnert), von einer schief und bewegt aufsteigenden Säule aus deformierten Klinkern (Heidrun Koepff) bis zu großformatigen, mit gelbem Ziegelmehl bemalten Bildern (Heinz-Günther Lackner) – die Aneignung des von Künstlern oft als charakterlos empfundenen industriellen Werkstoffs führte sowohl zu freien, als auch zu anwendungsorientierten Ergebnissen.

Ästhetisch-spielerische Fragestellungen überwogen, Versuche mit Objets trouvées, Untersuchungen von Oberflächen und der Grenze zwischen Kunst und Handwerk (Maren Eggerichs „100 Steine“). Stärker reflektierte nur Elisabeth Schindler die Bedeutung des Materials mit ihren „cornerstones“, seriell gefertigten Ziegellämmern in der traditionellen Osterkuchenform. Hier wird ein in der christlichen Ikonografie wichtiges Motiv in „heidnischem“ Ton massenhaft als Fließbandware präsentiert.

Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Backstein und der Vorstellung von „Wärme“, ja Heimat wurden nicht untersucht, ebensowenig Fragen nach dem gebrannten Ton in der Geschichte, den Moden. Dabei ist Keramik im öffentlichen Raum wieder in, wie auch avancierte Architektur zeigt. Eberhard Kulenkampff erinnert im Vorwort zum Katalog an Per Kirkebys BSAG-Turm an der Domsheide. Mit der Öffnung seiner Keramikausbildung zum öffentlichen Raum geht Vehring also eigentlich einen überfälligen Weg.

Die StudentInnen haben das womöglich verstanden. Ingo Vetter zu seinen Ziegeltierchen: „Es wäre eine konsequente Weiterführung des Ziegelprojektes, wenn die vorgestellten oder noch zu erfindenden Module in die Gestaltung von Bauten eingebunden werden könnten. Interessierte Architekten und Bauherrn sollten sich angesprochen fühlen: Bauen Sie mit Ingo-Modulen!“

Burkhard Straßmann

“Vom Baustoff der Kunst“, Ausstellung in der HfK-Galerie in der Dechanatstraße, bis zum 17.Dezember