■ Jüngste Warnungen vor der und Drohungen gegen die PDS: Weiter so, ihr wackeren Agenten!
Wer von den AktivistInnen der PDS noch im Zweifel war, ob nach der Stichwahl des nächsten Sonntags die Ernte des ersten Kommunal-Wahlgangs in Brandenburg eingefahren werden kann, darf beruhigt aufatmen. Mit so massiver Wahlunterstützung, wie sie jetzt den Wendesozialisten seitens des Deutschen Industrie- und Handelstages und vor allem seitens des bayrischen Innenministers Beckstein zuteil wurde, wagten selbst die größten Optimisten nicht zu rechnen. Die verdeckte Kaderarbeit der PDS in allen Ehren, aber wer hätte gedacht, daß sie den Handelstag- Präsidenten Siel zu den Ihren zählen kann? Mit einem einzigen Interview in Bild am Sonntag hat er der PDS für Potsdam mindestens fünf zusätzliche Prozent gesichert. Raffiniert droht er, „wo die PDS mit ihren Kommunisten in den Rathäusern regiert, gibt es weniger Investitionen und damit weniger Arbeitsplätze“ und schafft es damit spielend, auch noch den letzten Lokalpatrioten und Verteidiger brandenburgischer „Identität“ von Gramlich auf Kutzmutz umzupolen.
Aber was sind Siels Manöver gegen den Auftritt des bayrischen Innenministers Beckstein im ZDF? Schon von der Grammatik und Syntax seiner Rede her gesehen, hat er der PDS die Stimmen all jener zugeführt, denen die Zukunft der deutschen Sprache nicht gänzlich gleichgültig ist – ein Einbruch ins konservative Wählerpotential! Sein Plädoyer gipfelte in der Aufforderung, alle „extremistischen Behörden“ in den neuen Ländern zu verbieten – der Gute ist offenbar der Auffassung, es sei im Laufe von vier Jahren nicht gelungen, das Geflecht des SED-Partei-Staates zu entwirren. Die Wähler in Brandenburg werden solche Einsichten zu honorieren wissen.
Becksteins tiefgestaffelte Argumente schlossen die These ein, die PDS sei programmatisch wie personell weitgehend identisch mit der dahingegangenen SED. Sicher meint er so umstürzlerische Papiere wie das auf dem letzten Parteitag der PDS beschlossene Grundsatzdokument zum „neuen Produktivkrafttypus“, worin die gesellschaftsändernden Potenzen der lean production herausgestrichen werden. Und was die personelle Kontinuität anlangt: Treibt in der „kommunistischen Plattform“ der PDS nicht ein Abkömmling der berüchtigten Familie Scheringer sein Unwesen und war Richard Scheringer, der Ahn der Sippe, nicht zuerst Nazi und dann Kommunist, womit die Korrektheit der Totalitarismus-Theorie biographisch erwiesen wäre? Außerdem ist besagter, jetzt in Mecklenburg wühlender Scheringer-Nachfahr bayrischer Nationalität, womit klar der Tatbestand des Landesverrats erfüllt ist.
Innenminister Beckstein sollte sich bei seiner Amtstätigkeit zugunsten der PDS allerdings vor dem Beispiel des ehemaligen Ministerpräsidenten Niedersachsens, Ernst Albrecht, hüten. Albrecht (ein verkappter Maoist, wie man heute weiß) verhalf der dahinsiechenden marxistisch-leninistischen Bewegung 1977 zu unverhoffter Einheit und neuer Blüte, als er seine Absicht kundtat, drei ihrer Organisationen zu verbieten. Leider ließ es der ewig lächelnde, mondgesichtige Staatsmann an bolschewistischer Entschlossenheit mangeln. Er zog angesichts des Widerstandes in der eigenen Partei den Antrag zurück und gab damit die K-Gruppen dem endgültigen Verfall preis.
Damit solche Inkonsequenz nicht noch einmal unterläuft, ist ein aufmunterndes Wort vonnöten: Weiter so, ihr nimmermüden Einflußagenten, ihr sorgt für deutliche Markierungen und klare Fronten! Alles auf die alten Plätze – so können wir am besten die Probleme der deutschen Einheit meistern! Christian Semler
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