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Stahlharte Bedingungen

London will mitreden über Zukunft von Eko-Stahl / Tauziehen um Subventionen und Kapazitätsabbau in der europäischen Stahlindustrie  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Seit vier Wochen versucht die Europäische Kommission, die Regierung in London weichzuklopfen, damit sie ihren Widerstand gegen das Riva-Konzept für Eko- Stahl aufgibt. Gestern trafen sich die EU-Industrieminister, um zu einer endgültigen Entscheidung zu kommen. Das Problem sei, meinte ein Mitarbeiter der Kommission, daß man den Briten nichts anbieten könne. Deren Stahlwerke sind alle leidlich konkurrenzfähig, fitgemacht durch Milliarden-Subventionen in den letzten Jahrzehnten. Jetzt wollen die englischen Stahl- Unternehmen keine Subventionen mehr, sondern einen möglichst freien Markt.

Ginge es nur um staatliche Hilfen für Eko-Stahl, wäre das Problem schnell gelöst. Doch es geht auch um andere Stahlwerke, in Italien, Spanien und Portugal. Vor allem aber geht es ums Prinzip. Die europäische Stahlindustrie fährt jährlich knapp 10 Milliarden Mark Verluste ein. Um wieder in die Nähe der schwarzen Zahlen zu kommen, müßten mindestens 30 der 190 Millionen Tonnen Rohstahl-Kapazität stillgelegt werden. Die Unternehmen haben ihre Bereitschaft signalisiert, eine von der Industrie selbst finanzierte Vorruhestandsregelung für einzelne Stahlwerke auszuarbeiten. Aber dann dürfe die Europäische Union keinesfalls zulassen, daß anderswo mit staatlichen Mitteln neue Kapazitäten geschaffen werden.

Auch die westdeutschen Stahlunternehmen sehen im britischen Wirtschaftsminister ihren Verbündeten im Kampf gegen neue Subventionen – für die Konkurrenten.

Die EU-Kommission hat von den insgesamt sechs Anträgen auf Stahlsubventionen fünf genehmigt. Voraussetzung für staatliche Zuschüsse, so die Brüsseler Regelung, ist der Abbau von Kapazitäten. Die Betriebe müssen das Geld zum Gesundschrumpfen verwenden. Mit der italienischen Regierung gab es deshalb Probleme, weil Italien das staatliche Stahlwerk Ilva mit 5 Millionen Mark aus der Staatskasse privatisierungsreif machen will, doch statt der geforderten 1,7 Millionen Tonnen nur 1,2 Millionen abbauen will. Aber die Positionen haben sich hier inzwischen angenähert.

Im Fall von Eko-Stahl hat die Kommission zur Auflage gemacht, daß die geplante neue Warmwalzstraße nur aus Staatsmitteln finanziert werden darf, wenn gleichzeitig in einem anderen ostdeutschen Stahlwerk entsprechende Kapazitäten abgebaut würden. Der italienische Riva-Konzern, der Eko kaufen möchte, versprach deshalb, den Warmwalzbereich in seinem Werk in Hennigsdorf zu schließen.

Doch die Briten weigerten sich bislang, die Rechenspiele der Kommission nachzuvollziehen, nach denen der Bau der neuen Anlage im Zusammenhang mit dem Kapazitätsabbau in Ostdeutschland insgesamt zu sehen sei. Gestern sah es allerdings nun doch so aus, als würde sich die Londoner Regierung zu einem Entgegenkommen bewegen lassen und ihre stahlharten Bedingungen ein wenig aufweichen.

Bisher forderten sie die vertragliche Festschreibung der Warmwalzkapazität auf 10 Jahre auf höchstens 900.000 Tonnen jährlich. Doch darauf will sich Riva keinesfalls einlassen, und sogar Kommissionsmitarbeiter räumten ein, daß die Anlage bei einer Auslastung unter einer Million Tonnen kaum wirtschaftlich betrieben werden könne. Nun lassen sich die Briten vielleicht darauf herunterhandeln, die Maximalkapazität von 900.000 Jahrestonnen nur bis zum Jahr 1999 vorzuschreiben und danach eine Anhebung zu akzeptieren.

Das einzige Druckmittel der Kommission, bei einem Scheitern der Verhandlungen drohe ein völlig unkontrollierter Subventionswettlauf, hat also vielleicht doch Wirkung gezeigt. Die vorliegenden Beihilfekonzepte seien zwar voller Sünden wider die europäischen Stahl-Vorschriften, so der für Wettbewerb zuständige Kommissar Karel van Miert, aber sie seien das Bestmögliche, was unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu erreichen sei.

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