: Ein Wunschtraum: Energie im Überfluß
Kann das Schwerkraftfeld in nutzbare Energie umgewandelt werden? / Ein Perpetuum mobile würde unbegrenzt Energie zur Verfügung stellen / Nicht nur die Fachwelt ist skeptisch ■ Von Heiko Pust
Der Gedanke ist an sich nicht neu: die Entwicklung einer Maschine oder eines Systems, aus dem mehr Energie gewonnen werden kann, als man zum Betreiben benötigt, also ein Perpetuum mobile. In der Vergangenheit versuchten sich immer wieder Konstrukteure daran, eine solche Maschine zu entwickeln, und sie scheiterten allesamt. Doch fasziniert der Gedanke an ein Perpetuum mobile, und mit einem etwas anderen theoretischen Hintergrund wird weitergeforscht und konstruiert.
Die Deutsche Vereinigung für Schwerkraftfeldenergie (DVS) mit Sitz in Oldenburg ist der Zusammenschluß von Fachleuten aus verschiedensten Disziplinen. Allen gemeinsam ist die Überzeugung, daß das Schwerkraftfeld genutzt und in technisch verwertbare Energie umgewandelt werden kann – und dies mit einem Wirkungsgrad von über 100 Prozent.
Mit Theorien bezüglich dieser Umwandlungsform ist die DVS nicht sparsam. So sei der Weltraum, mit allem, was drin ist, von einem ewig pulsierenden, sehr dichtem Energiefeld erfüllt. Dieses Feld, welches in herkömmlichen Physikbüchern nicht vorhanden ist, habe nichts mit Licht- oder Sonnenenergie zu tun, sondern wird als Schwerkraftfeldenergie, Vakuumfeld- oder auch Tachyonenenergie bezeichnet. Dieses Schwerkraftfeld durchdringt nach Meinung des DVS die Materie und gibt dabei einen Teil seiner Energie im Sinne eines Bremseffektes ab. Dies führe dann beispielsweise zu einer Erwärmung des Körpers. Angenommen wird, daß Phänomene wie Schwerkraftbeschleunigung, magnetische, elektromagnetische und elektrostatische Beschleunigung auf diese Bremswirkung zurückzuführen sind. Demnach laufe der Elektromotor nicht deswegen, weil in ihm ein elektromagnetisches Feld aufgebaut wird, sondern weil das elektromagnetische Feld auf das durchdringende Schwerkraftfeld eine bremsende Wirkung ausübe.
Folgt man den Theorien weiter, so besagen sie, daß möglicherweise die verschiedenen Methoden der Bremswirkung auf das Schwerkraftfeld austauschbar und optimierbar sind. Möglicherweise so weit, daß ein Wirkungsgrad von über 100 Prozent erreicht werden kann. Somit wären Maschinen möglich, die mehr leisten, als sie an Energie zum Betrieb verbrauchen. Streng genommen wäre dies dann kein Perpetuum mobile, da ein solches in der Regel als geschlossenes System betrachtet wird und aus sich heraus den Wirkungsgrad von über 100 Prozent erzeugen muß. Bei den Schwerkraftfeldkonvertern wäre dies jedoch anders, da sie von außen Energie beziehen.
Liest man Veröffentlichungen zum Themenkreis Schwerkraftfeldenergie, geschrieben von DVS- Mitgliedern, so klingt es stellenweise wie ein Märchen vom Energieschlaraffenland. Von Energiekonvertern ist die Rede; sie sollen in jedem Haushalt stehen und unerschöpflich und ergiebig Energie erzeugen, die jederzeit überall verfügbar und vor allem kostenlos ist. Viele Beispiele von angeblich funktionierenden Maschinen werden aufgeführt, die Arbeiten des Nicola Tesla erwähnt, der schon 1920 solch geniale Maschinen konstruiert haben soll. Doch seltsamerweise gibt es diese Maschinen allesamt nicht mehr, entweder seien sie auf mysteriöse Weise verschwunden oder aber von Energiekonzernen, die etwas gegen solch kostenlose Energie haben, unterdrückt. Dies alles liest sich eher wie ein Zukunftsroman, als daß es wahr sein könnte. Spätestens bei den Erklärungstheorien zur Schwerkraft, zu Elektrizität und der Energieerhaltung sträuben sich bei physikalisch-technisch Interessierten die Haare. Widersprechen sie doch in allen Punkten den gängigen Universitätslehrmeinungen, und so könnte man schnell alles als Spinnerei abtun. Doch so einfach ist es wohl nicht.
Auch unter Physikern gibt es Unstimmigkeiten über die Natur der Schwerkraft. Man ist sich zwar über die Auswirkung, nicht aber über die Herkunft einig. Verfolgt man dann die Aktivitäten der DVS, die 1981 gegründet wurde und inzwischen über 400 Mitglieder zählt, so erstaunt vor allem die fachliche Kompetenz und die akademische Titelsammlung der Mitglieder. Ingenieure, Doktoren, Techniker sowie Professoren diskutieren ernsthaft und überzeugt über die Machbarkeit verschiedener Anwendungen. So auch auf der jüngsten, Ende November durchgeführten Mitgliederversammlung, bei der die neuesten Entwickelungen im Bereich Schwerkraftfeldenergie vorgestellt wurden.
Der Präsident der DVS, der Arzt Hans Nieper aus Hannover, hat sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt. Er berichtete vor allem über die Aktivitäten im Ausland und die Vorreiterrolle Japans. Toyota und Mazda stellen, seinem Bericht zufolge, Milliarden Dollar für die Erforschung zur Verfügung. Man arbeite dort an Konzepten zur Wasserstofferzeugung als universellem Brennstoff, erzeugt mit Hilfe von Schwerkraftfeldenergie. Der Ingenieur Gerd Harms vom Institut für Elektrische Energieversorgung der Universität Hannover informierte über den – seiner Meinung nach – funktionsfähigen Konverter „Testatika“, eine Erfindung aus der Schweiz. Diese Maschine soll dauerhaft drei Kilowatt elektrische Energie liefern, ohne daß von außen Energie zugeführt werden müsse. Bisher konnte jedoch noch kein entsprechendes Modell der Öffentlichkeit vorgeführt werden. Sollte es denn überhaupt möglich sein, wird die Umsetzung wohl noch ein paar Jahre auf sich warten lassen.
Glaubt man jedoch Gerd Gerken vom renommierten Worpsweder Trendforschungsinstitut, so gehört die Zukunft dem Wasserstoff und der Vakuumenergie, wie er in einem Interview Anfang des Jahres verdeutlichte. Trotz phantastisch-utopischen Beigeschmacks kann man nur wünschen, daß er recht behält, wäre dies doch immerhin eine – wenn auch vage – Möglichkeit für den Ausstieg aus der Kernenergie. Doch Skepsis bleibt angebracht.
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