: Hupen für den Mord am Wald
Deutsche LKW-Lobby protestiert gegen angeblich zu geringe Steuererleichterungen im Rahmen der europäischen Harmonisierung / Abgaben sinken im April auf bis zu 25 Prozent ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – Das Gezeter der Spediteure war lauter als das von ihnen angeregte Hupkonzert. Der Bundesverband des Deutschen Güterfernverkehrs (BDF) hatte gestern die LKW-Fahrer aufgefordert, zehn Minuten zu tuten und anschließend eine einstündige Ruhezeit einzulegen. Der Grund: Den Fuhrunternehmen gehen die enormen Steuererleichterungen, die ab 1. April 1994 in Kraft treten, nicht weit genug. 100.000 Arbeitsplätze seien gefährdet, „immer mehr Familien verzweifeln, weil auch sie unter der Arbeitslosigkeit oder dem Verlust der Existenzgrundlage leiden müssen“, lamentiert der Verband tränenrührig und meldete am Nachmittag die Beteiligung von Zehntausenden von Truckern an der Aktion.
Der Sprecher des Verkehrsministeriums zeigte nicht viel Verständnis für die deutsche Brummilobby: „1,5 Milliarden DM weniger Steuern im Jahr müssen sie zahlen, während im Sozialhaushalt 21 Milliarden DM gespart werden.“ Ab dem 1. April werden für einen 40-Tonner nicht mehr wie bisher 10.500 DM Kfz-Steuern im Jahr fällig, sondern nur noch 5.000 DM. Für angeblich besonders umweltfreundliche Fahrzeuge sind es sogar nur noch 2.800 DM. Und auch durch die Aufhebung des Tarifsystems sparen die LKW-Betreiber rund 2.000 DM pro Wagen, weil Prüfgebühren wegfallen. „Eine Verhöhnung der durch den LKW- Verkehr zerstörten Umwelt angesichts der von Experten auf 20 bis 60 Milliarden DM pro Jahr geschätzten ungedeckten Kosten des LKW-Verkehrs“, urteilt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) über die enorme Verbilligung des Güterverkehrs auf der Straße.
Aber die Spediteure meckern dennoch. „Wir fordern die volle Harmonisierung in der Europäischen Union“, so ein BDF-Vertreter. Die Abgaben für einen Lastzug in Deutschland seinen 43mal so hoch wie in Frankreich, behaupten sie. Das klingt zwar beeindruckend, stimmt aber ab April nicht mehr: Die Franzosen müssen dann statt bisher 116 DM mindestens 1.400 DM pro Laster abführen; so schreibt es der EU-Verkehrsministerbeschluß aus dem letzten Sommer vor. Auch Griechenland, Portugal, England und Luxemburg sind verpflichtet, die Kfz-Steuern zu erhöhen, während die anderen Länder bisher schon über dem Mindestsatz liegen. Insgesamt wird es zu einer Harmonisierung auf niedrigem Niveau kommen.
Viele kleine Spediteure allerdings werden in Deutschland in den nächsten Jahren von der Bildfläche verschwinden. Denn ab dem 1. Januar 1994 gilt das Tarifsystem nicht mehr, das bisher für relativ einheitliche Preise sorgte. Die kapitalstarken Unternehmen werden mit Dumpingpreisen Kunden anlocken und so ihre mittelständischen Konkurrenten – und die Bahn – unter Druck setzen. Eine Pleitewelle ist absehbar. Der Güterverkehr auf der Straße aber wird zunehmen. Den Profit kassieren ein paar große europäische Firmen. Die Rechnung zahlen Umwelt, Steuerzahler und Sozialhilfeempfänger, an denen gespart wird.
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