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Jahresplanung – leichtgemacht Von Olaf Cless

Meinem Tierkreiszeichen nach, sagen die Astrologen, verkörpere ich das Übergangsstadium der niederen Kreatur zum geistigen Geschöpf. Kein schmeichelhafter Befund, aber man kann damit leben. Walt Disney und Heinrich Heine, berühmte Schicksalsgenossen, sind ja auch irgendwie klargekommen, ganz zu schweigen von Rudi Carrell. Bevorzugte Schütze-Berufe (nun ist es heraus) sind immerhin auch Rechtsanwalt, Arzt, Schriftsteller, Pilot, Kapitän, Manager, Auktionator und Galerist. Ein bißchen Glück habe ich also schon gehabt, daß ich keinem Sternzeichen angehöre, dessen Adepten vorzugsweise die Laufbahn von Müllsortierern, Schiffsheizern oder Kanzlersekretärinnen einschlagen.

Seit ich kürzlich ein Taschenbuch mit dem Titel „Ihr Horoskop für jeden Tag des Jahres 1994“ geschenkt bekam – schließlich ist man in meinem 68er-Bekanntenkreis auch im Schenken reifer geworden –, bin ich zuversichtlich, auch nächstes Jahr auf dem tückischen Weg vom Animalischen zum Durchgeistigten ein gutes Stück voranzukommen. In meiner Schützen- Hilfe finden sich Sonne, Mond und Planeten schon mal erschöpfend durchgecheckt. Mit einem ausgebufften Service aus monatlichen Balkendiagrammen, Tagesprognosen und -konstellationen nebst mannigfachen Zusatzinformationen, Planetenspezialtabellen und Deutungstexten lassen sich alle Klippen im Kalender meistern.

Der Januar steht schon bis in die Feinplanung. Am 2. 1. beispielsweise werde ich mir sagen: „Einladungen und Freundschaftsbesuche machen den Abend interessanter.“ Günstig, daß das just ein Sonntag ist. Gegen 19.17 Uhr heißt es allerdings auf Draht sein, denn da tritt die Sonne ins Halbquadrat zum Saturn, was bekanntlich selten ohne „Ernüchterung“ oder „Zurückweisung“ abgeht. Für den 5. gilt bei mir das weise Wort: „Über ein bestimmtes Thema wurde schon mehr als genug diskutiert. Lassen Sie den Worten endlich Taten folgen.“ Vielleicht aber nicht gerade gegen 13.23 Uhr, wenn Venus im Halbquadrat zu Pluto, Sie wissen schon, von wegen „erzwungener Liebe“ und so. Am 12. laß' ich mir einen Kostenvoranschlag machen (Merkur im Halbsextil zu Saturn!) – mal sehen, ob es schon wieder die Waschmaschine sein wird –, am 17. plaudere ich am Arbeitsplatz partout kein privates Geheimnis aus, ätschi, und am Tag darauf kriegen mich keine zehn Stewardessen in ein Flugzeug (Mars in Konjunktion mit Uranus: „Unglücksfälle im Luftverkehr“!). Vielleicht sehe ich das alles zu eng. Der Schütze hat ja diesen tiefsitzenden „Hang zu Übertreibungen“. Trotzdem, wer sagt mir, daß der Astro-Autor nicht aus purer Gefälligkeit tiefstapelt, wenn er über die Verläßlichkeit seiner Orakelsprüche beruhigend anmerkt: „Begriffe wie ,Niederlage, Krankheit‘ usw. besagen keineswegs, daß Sie an diesem Tag krank werden oder tatsächlich eine Niederlage erleiden.“

Im Sommer wird voraussichtlich der Komet Shoemaker-Levy 9 auf den Jupiter knallen. Ein 100-Megatonnen-TNT-Bums, ein Loch so groß wie Deutschland in den Grenzen von 1941. Auch das verschweigt uns der Astrologe geflissentlich in seinem golden-himmelblauen Brevier. Dabei ist 1994 ausgerechnet auch noch ein Jupiter-Jahr. Und was ich noch bedenklicher finde: Dieser Jupiter ist, astrologisch gesehen, für die Schützen zuständig. Waidmannsheil.

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