Kommentar
: Es muß nicht so sein

■ Restposten Europa

Die Europäische Union im Sinne von Maastricht ist ein Menü aus mehreren Schattierungen. Es gibt die englische Version, die dänische Auswahl der Ausnahmeregelungen, und bald kommen dazu noch die österreichische (gemeinsame Außenpolitik mit Neutralität) und höchstwahrscheinlich eine finnische und eine schwedische. Die Frage liegt auf der Hand: welches Europa? Ein Europa, wie es im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts skizziert wurde, läuft zwangsweise in Richtung einer Integration der differenzierten Geometrie, eines Verbundes des kleinsten gemeinsamen Nenners. Innerhalb der heutigen EU, vielmehr der EU im Jahre der Regierungskonferenz von 1996, werden aber mindestens zwei Geometrien sichtbar: eine südwestliche und eine nordöstliche.

Die Spanier haben diese unsichtbare Linie mit ihrem neuesten Vorstoß in Brüssel deutlich gemacht. Nach dem Ende des Bipolarismus in Europa driftet der Süden Europas vom Norden weg, und das nicht aus eigener Schuld. So ist es zum Beispiel eine recht heuchlerische, von sozialen Ressentiments bestimmte Behauptung, die Regierung Papandreous der 80er Jahre trage alleine die Schuld für die Erfolglosigkeit der strukturellen Anpassung; die wachsenden Handelsbilanzdefizite Spaniens und Portugals zeigen, daß Form und Menge der eingesetzten Mittel nicht mehr bewirkt haben als die Ebnung des Wegs für zentraleuropäische Produkte.

Dazu kommt, daß die Interessen der EU-Partner immer noch – oder wieder – auseinanderlaufen. Deutschland und Griechenland zum Beispiel stehen heute stärker im Gegensatz als während des Kalten Krieges. Griechenland wird daher seine Verbündeten in den Reihen der „Ausgeschlossenen“ suchen, inner- wie außerhalb der EU, im Mittelmeerraum, im Balkan, in den USA und Israel, aber auch in Rußland aufgrund dessen gegen die Türkei gerichteten Politik.

In einer solchen Situation noch von gemeinsamen „europäischen Interessen“ zu sprechen – und beträfen sie auch nur die Sicherheitspolitik – ist naiv. Wo sich nationale Ressentiments und nationale Interessen vermischen, kann auch die EU nur untergehen. Es muß nicht, es kann aber so sein. Anastassios Telloglou

Der Verfasser ist Deutschland-Korrespondent der Athener Tageszeitung „Kathimerini“.