: Wolken aus Puderzucker
■ Afrika-Nostalgie und Happy-Family entsaften Womack & Womack Hoffen auf ihr brillantes Repertoire erlaubt Besuch des Konzertes
Nun werden die Womacks wunderlich. Auf den spirituellen Trip fehlgetreten halten sie sich plötzlich für versetzt in die patriachalen Zeiten afrikanischer Stämme, nennen ihren Clan nach ihrem Oberhaupt Zekkeariyas (vormals Cecil Womack), und auch Sam Cooks Tochter Linda (=Zeriiya) und all ihre Kinder müssen sich plötzlich damit zurecht finden, daß die komplette Familie nun dieselben Initialen trägt: ZZ. Dafür dürfen Zeniya und Zekumba Zekkeariyas, der erste Nachwuchs, auf der neuen Platte Transformation To The House Of Zekkeariyas alle Titel schreiben, und auch für Zeumoja, Zeimani und Zeapree wird eine Rolle im neuen Familien-Album gefunden.
Schon seit den Tagen der amerikanischen Back To The Roots-Bewegung in den 60ern, deren Interesse an der eigenen Vergangenheit sich oft rasant schnell in unreflektierte Afrika-Nostalgie verkehrte und gegen die alle politischen Führer der Schwarzen Bewegung stets klug zu wettern wußten, haben derartige Identitätswechsel den Ruch von kleinbürgerlichem Folklorismus. Und auch die beiden Womacks verbinden mit ihrem „neuen Bewußtsein“ keinerlei politische Analyse und solidarisches Bewußtsein. Vielmehr sprechen die Texte ihres neuen Katechismus von der Sehnsucht nach einem Land „with no politics or plans“ und auch ansonsten ist alles beim Alten.
Der perfekt Umgang mit der Süßlichkeit, den Womack & Womack wie kaum eine andere Band beherrschen, vernebelt ihren neuen ideologischen Hafen mit Wolken aus Puderzucker. Aber anders als noch auf dem Erfolgsalbum Conscience macht das leidenschaftliche Timbre, das auch Stücke wie „Love Wars“ oder „Teardrops“ umschwärmte, den saftlosen Liebesbekenntnissen eines alten, harmonischen Ehepaars Platz. Und das ist entsetzlich schade, denn gerade die alten Balladen wie „You Should Only Have Love For Me“ gehörten zu den Stunden des schönsten Tauwetters im Leben des Soul. Drum, wenn die Womacks es sich bei ihrem Konzert verkneifen können, ein Massai-Disneyland mit Hirseplätzchen und Apfelbrause zu veranstalten, dann ist die Hoffnung berechtigt, daß sie sich noch einmal zu Wohltätern der Seele emporschwingen und ein großartiges Konzert mit viel Repertoire entfesseln. Hoffen ist erlaubt.
Till Briegleb
19.1., Große Freiheit
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