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Wandsbek-Boys im Stahlgewitter

■ SPD-Machtkartell kämpft mit Steuerzahler-Millionen für Selbsterhalt und gegen die Stahlkrise / Weiland zurückgetreten   Von Florian Marten

Gestern abend forderte die Hamburger Stahlkrise ihr erstes politisches Opfer. Gerd Gustav Weiland (SPD), Ex-Chef der Hamburger Stahlwerke (HSW), legte sein Amt als Chef des Haushaltsausschusses der Hamburger Bürgerschaft nieder. Derweil beleuchten immer neue Details die eigentümliche politische und geschäftliche Verbun-denheit der beiden derzeit wohl mächtigsten Hamburger Sozialdemokraten, Dr. Weiland und Dr. Henning Voscherau.

Nach Dokumenten, die der taz vorliegen, hat Weiland auch bei seinem jüngsten Deal mit Landesbank und städtischer Kreditkommission seine Interessen weitgehend durchsetzen können. So demissionierte Weiland zwar als Geschäftsführer der HSW, sein Anstellungsvertrag bleibt aber vorläufig erhalten. Weiland erhält seine ehemalige HSW-Einlage von 110.000 Mark verzinst zurück und bleibt voll pensionsberechtigt. Weilands wohl größter Coup aber bleibt die als Vorbedingung für eine weitere Krediterhöhung geforderte Einlage: Weiland und sein Stahlkompagnon Wolf-Dietrich Grosse bringen zwar eine Tochter ihres westfälischen Stahlverarbeitungsimperiums WDI, die WDI-Baustahl (geschätzter Wert: unter 10 Millionen Mark), in die HSW ein, lassen sich dies aber mit einer sogenannten Rabattpauschale von jährlich 800.000 Mark durch die HSW vergüten. Vereinfacht formuliert: Die HSW bezahlt in den kommenden Jahren den Sanierungsbeitrag von Weiland und Grosse zu einem erheblichen Teil aus eigener Tasche.

„Außerordentlich risikobehaftet“

Im Gegenzug stockt die Stadt ihre gegenwärtigen Kreditbürgschaften von 160 auf 184 Millionen Mark auf. Damit nicht genug: Hatte die Wirtschaftsbehörde schon vor einem Jahr eine Erhöhung der städtisch verbürgten Kreditlinie um 20 Millionen Mark als „nach kaufmännischer Bewertung nicht vertretbar“ bezeichnet und das Bürgschaftsrisiko der Stadt mit insgesamt 85 Millionen Mark beziffert, so ist dieses Risiko jetzt auf die gesamten 184 Millionen Mark der städtischen Garantie geklettert.

Der Grund: Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes würden die städtisch garantierten Kredite im Konkursfall an die letzte Stelle der Gläubiger rücken. Verständlich, daß die Wirtschaftsbehörde den aktuellen HSW-Deal als außerordentlich „risikobehaftet“ bezeichnet. Damit nicht genug: Von der Sache her stellen die städtischen Bürgschaften für die HSW eine nach EG-Recht unzulässige Subvention dar. Derzeit ist ungewiß, ob sich die EG-Prüfer durch die formal trickreiche HSW-Konstruktion mit Landesbankkrediten, Staatsbürgschaften und privater Trägerschaft ruhig stellen lassen.

Angesichts dieser wackeligen Konstruktion, des außerordentlich hohen Risikos der Stadt und der vergleichsweise moderaten Belastung Weilands nehmen die Filzwürfe an Schärfe zu. Immer lauter fragen sich selbst sonst voscherau-freundliche Medien: Haben sich Weiland und Voscherau, die sich nach Voscheraus eigenen Worten „seit unserer Jugendzeit“ kennen, gegenseitig Geschäfte und politische Karrieresprünge zugeschanzt? Wurde dabei die Stadtkasse über Gebühr strapaziert? Haben die politischen Gremien willfährig mitgespielt und/oder ihre Aufsichtspflichten verletzt?

Noch weisen Weiland und Voscherau derartige Vorwürfe weit von sich: Weiland verteidigt sein HSW-Engagement als wirtschafts- und sozialpolitisch segensreiche Tätigkeit im Sinne der Stadt. Voscherau findet nichts dabei, daß „Herr Rechtsanwalt Dr. Weiland seit Beginn meiner Amtstätigkeit als Notar zu meinen Mandanten gehörte“ und dabei die Dienste „des Notars oftmals in Anspruch genommen hat, auch im Hinblick auf Stahlfirmen“. Voscherau ergänzt treuherzig: „Ich habe die in der Kostenordnung bundesgesetzlich geregelten Gebühren erhoben“.Gestern abend teilte der Bürgermeister zudem mit, er „empfinde wegen meiner sehr korrekten und ausgesprochen honorigen Tätigkeit als Notar keinerlei Reue; hamburgische Notare haben dazu bekanntlich auch keinen Anlaß“.

Die Stadt zeigte sich sehr spendabel

Wohl wahr. Für seinen Ausflug in die Stahlbranche war Weiland weit mehr auf Senatshilfe denn auf notariellen Gebührennachlaß angewiesen. Als Weiland 1983 zusammen mit dem Stahlmanager Grosse die HSW aus der Konkursmasse des von Großkonzernen in den Abgrund getriebenen Elektro-Stahlkonzerns des badischen Außenseiter-Industriellen Korff übernahm, spendierte die Stadt nicht nur einen per Bürgschaft abgesicherten Landesbankkredit von 130 Millionen Mark, sondern auch ein Eigenkapitaldarlehen von 20 Millionen Mark. In den Jahren 1986/87 vergrößerten Grosse und Weiland ihr Stahlimperium durch Zukauf der WDI-Gruppe. Das Geld dafür spendierte ausnahmsweise nicht der Senat, sondern Banken und, zum Teil, die HSW selbst per Kredit. Dies sei, so Weiland, durchaus legitim, da die HSW durch die WDI einen sicheren Abnehmer gefunden hätten. Die Sicherheit hatte ihren Preis: 5,5 Millionen Mark pro Jahr überweisen die HSW an die WDI-Gruppe als sogenannten „fixen Rabatt“.

Um sich gegen den naheliegenden Verdacht auf Gewinnverschiebung von den HSW zu WDI abzusichern, ließ sich Weiland jedes Jahr von einem Wirtschaftsprüfer die Unbedenklichkeit der finanziellen Beziehungen zwischen HSW und WDI bestätigen. Denn: Die WDI-Gruppe ist im Vergleich zu den HSW wirtschaftlich gesund. Weiland versuchte denn bislang mehrfach auch, die WDI-Gruppe für den Fall eines HSW-Konkurses von einer „Durchgriffshaftung“ freizuhalten. Ob dies gelingt, wird sich angesichts der unklaren Rechtslage wohl erst im HSW-Konkursfall zeigen.

Kurz: Während die Stadt vor „einem Faß ohne Boden“ steht, so ein Insider, hat der kluge Kaufmann Weiland seine Risiken begrenzt.

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