Hirngrill unterm Kopfkissen

■ Der Lauschangriff im Kinderzimmer hat Tücken / Babyphone-Sender sollten nicht direkt beim Kind liegen / Kritiker warnen vor Elektrosmog und raten zum Kabel

Wenn das Baby schläft, haben die Eltern noch lange keine Ruhe: Zumindest wer sich einer größeren Wohnung oder eines Eigenheimes erfreut, läuft alle paar Minuten zum Kinderbett, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Abhilfe schafft da das Babyphone, mit dem das Bett auch aus einiger Entfernung abgehört werden kann.

Beim Kauf sollten jedoch unbedingt die technischen Varianten beachtet werden. Denn obwohl das Grundprinzip der Babyphones eher simpel ist – der Sender neben dem Kinderbett gibt akustische Signale an den Empfänger weiter – unterscheiden sich die Angebote der Hersteller preislich und qualitativ merklich voneinander.

„Zwischen 40 und 140 Mark ist bei uns alles drin“, stellt Sven Bosser, Leiter des Rundfunk- und Fernsehbereichs bei Karstadt auf der Wilmersdorfer Straße, sein Babyphone-Sortiment vor. Die billigste Variante besteht aus zwei Geräten, die durch ein Telefonkabel miteinander verbunden sind. Betrieben wird das Ganze mit 9-Volt- Batterien. Nachteil: Das Kabel liegt oft im Weg herum und stört.

Wer etwas mehr ausgibt, kann auf das Kabel verzichten. Statt dessen werden Sender und Empfänger an die Steckdose angeschlossen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die entsprechenden Steckdosen zum selben Stromkreis gehören. Sonst kann man lange auf Babys Schreie warten.

Größere Reichweite mit Funk-Babyphones

Solange die beiden Teile dieser Gegensprechanlage innerhalb einer Wohnung eingesetzt werden, stellt das normalerweise kein Problem dar. Wenn aber mal die Nachbarn sitten sollen, müssen sie nach wie vor persönlich das Kinderbett kontrollieren. „Auch im Einfamilienhaus kann nicht davon ausgegangen werden, daß alle Steckdosen am gleichen Stromkreis hängen“, warnt Bosser.

Wer den Zwängen von Kabeln, Stromkreisen und entsprechend unbeweglichen Empfängergeräten entfliehen will, kann sich seine Mobilität mit etwa 100 Mark erkaufen: Dafür gibt es ein Funk-Babyphone, dessen Signale wie beim Funkgerät per Antenne übertragen werden. Daher können Eltern oder Babysitter den Empfänger immer am Körper tragen. Egal ob Garten, Keller oder Bad, der Lauschangriff kann überall gestartet werden. Zwar werden auch dem Funkkontakt Grenzen durch Entfernung und materielle Barrieren gesetzt, doch im Vergleich zu den Versionen mit Kabel oder Netzanschluß ist der Einsatzradius deutlich größer. „Vor ungefähr zwei Jahren hatten die Funk-Babyphones den großen Durchbruch“, beschreibt Bosser die Folge. „Seither geht die Nachfrage bei den anderen Modellen stetig zurück.“

Doch Vorsicht: Auch in den hübschen, handlichen Funkgeräten steckt der Wurm drin. Weil vermutet wird, daß die Sendestrahlen der Geräte auf den Körper des Kindes negativ einwirken, bezeichnen Kritiker sie zuweilen als „Hirngrill“. Bosser will von solchen Begriffen nichts wissen: „Die Frequenz des Senders ist mit maximal 300 Milliampere sehr niedrig. Außerdem halten die Hersteller sich alle an die DIN-Richtwerte.“ Diese Modelle seien nicht gefährlicher als ein Spielzeug-Walkie-Talkie, versichert der Bereichsleiter.

Lebrecht von Klitzing, akademischer Oberrat an der Medizinischen Universität Lübeck, ist da skeptischer: „Die vorgegebenen Richtwerte sollen eine thermische Belastung, also kritische Temperaturerhöhungen oder mögliche Reizwirkungen, zum Beispiel auf die Nerven, verhindern. Zur Diskussion stehen aber auch mögliche athermische Effekte, die weit unterhalb der derzeit bestehenden Grenzwertempfehlungen auftreten können.“ Mögliche Folgen des Elektrosmogs (siehe untenstehenden Bericht) sind laut Öko-Test Störungen des Immunsystems, Allergien, Nervosität, Sehstörungen und Schlaflosigkeit.

Warnung vor den Kuscheltieren

Da nicht nur Sender, sondern auch Netzteile Elektrosmog verursachen, rät Frauke Tedsen-Ufer vom Gesundheitsamt Charlottenburg, sämtliche Teile des Gerätes mindestens einen Meter vom Bett entfernt zu plazieren. In dieser Entfernung sei kein Elektrosmog mehr meßbar. Dringend abzuraten ist laut Öko-Test von Sendern, die als Kuscheltiere aufgemacht sind. Bei einem Abstand von 10 Zentimetern mute man seinem Sprößling mehr Elektrosmog zu, als wenn das Bettchen direkt unter einer Hochspannungsleitung stünde.

„Auch wenn die Hersteller nicht auf den Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter verweisen, sollte dieser unter allen Umständen eingehalten werden“, rät Tedsen-Ufer. „Ist das nicht möglich, empfielt sich die Anschaffung eines Gerätes mit Kabel.“ Billiger ist es allemal. Lars Klaaßen