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Friedenspartnerschaft als Trostpflaster

In Washington ist die Entscheidung gegen eine Aufnahme der osteuropäischen Länder in die Nato gefallen / Clinton will auf keinen Fall in militärische Konflikte in dieser Region hineingezogen werden  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Das Leben wäre zweifellos schöner ohne Wladimir Schirinowski. Nicht nur für Boris Jelzin. Auch für Bill Clinton. Hätte der Ultranationalist bei den russischen Parlamentswahlen am 12. Dezember letzten Jahres mit seinem Erfolg nicht für Schockwellen weit über die Landesgrenzen hinaus gesorgt, so hätte sich der US-Präsident bei seinem bevorstehenden Europa-Besuch auf einen gelungenen Auftritt auf dem außenpolitischen Parkett freuen können. In Brüssel hätte er sich als Initiator des „Partnership for Peace“-Konzepts feiern lassen können, das den osteuropäischen Staaten eine militärische Zusammenarbeit mit der Nato bietet, eine Mitgliedschaft aber vorerst ausschließt – zur Erleichterung Rußlands, aber auch der meisten westeuropäischen Alliierten. Und in Moskau hätte sich Clinton gerne mit Boris Jelzin als Ko-Garant für eine unaufhaltsame russische Reformpolitik präsentiert. Doch seit dem 12. Dezember stellt sich die Lage sehr viel komplizierter dar. Nicht nur, weil Wladimir Schirinowski in einem seiner Anfälle von rhetorischem Größenwahn die Rückgabe des an die USA verkauften Alaskas gefordert hat und die Clinton-Administration, so witzeln US-Karikaturisten, die Quittung aus dem Jahre 1867 nicht mehr finden kann.

Seit das Gespenst eines neuen russischen Expansionismus durch Wladimir Schirinowski personifiziert worden ist, ist nicht nur die Kritik aus Prag, Budapest, Bratislava oder Warschau am „Partnership for Peace“-Konzept sehr viel lauter geworden. Auch innerhalb der USA ist die Diskussion um eine Erweiterung der Nato voll entbrannt. Auf den ersten Blick scheinen die Konfliktlinien in dieser politischen Debatte klar: Die eine Seite, darunter mehrere Mitglieder der Bush-Administration, Vertreter konservativer Think Tanks sowie Kommentatoren unterschiedlicher politischer Couleur, hält die „Partnership for Peace“-Idee für einen faulen Kompromiß und ein Trostpflaster an die Adresse osteuropäischer Nationen wie Tschechien, Ungarn, Polen oder der Slowakei, die, angesichts der Ablehnung einer Nato- Mitgliedschaft frustriert und verbittert, nun mit ein paar gemeinsamen Manövern und Nato-Hilfe bei der Soldatenausbildung versöhnlich gestimmt werden sollen. Die Aufnahme dieser Länder in die Nato müsse vielmehr schnell gewährt werden – angesichts des bedrohlichen Wahlerfolges Schirinowskis.

Auf der anderen Seite steht die mittlerweile auf Linie gebrachte Clinton-Administration sowie Osteuropa-Experten wie die Historiker Michael Beschloss oder Michael Mandelbaum, die einen Beitritt der mitteleuropäischen Staaten zur Nato zum gegenwärtigen Zeitpunkt ablehnen und damit der Warnung Boris Jelzins folgen, eine Nato-Mitgliedschaft für mitteleuropäische Staaten werde sich destabilisierend auf seine Position und Reformpolitik auswirken – vor allem nach dem bedrohlichen Wahlerfolg Schirinowskis.

Sonderbotschafter Talbott brachte Clinton auf Linie

Ursprünglich war man sich innerhalb der US-Regierung keineswegs einig, wie mit dem Aufnahmebegehren der polnischen, tschechischen oder ungarischen Regierung zu verfahren ist. Sowohl Außenminister Warren Christopher als auch Sicherheitsberater Anthony Lake sowie einige hochrangige Beamte im Außenministerium vertraten die Ansicht, daß den mitteleuropäischen Staaten zumindest eine assoziierte Mitgliedschaft sowie konkrete Kriterien für den Eintritt in das Bündnis geboten werden müßten. Solche Ambitionen trafen auf Widerstand im Pentagon und auf ein deutliches Veto jenes Mannes, der bis auf weiteres die US-Politik in Sachen Rußland und Osteuropa bestimmen wird: Strobe Talbott, Ex- Journalist des US-Nachrichtenmagazins Time, Kommilitone Clintons in England und seitdem einer seiner engsten Vertrauten.

Vor allem seinem Einfluß ist zuzuschreiben, daß es beim Nato- Gipfel weder eine Liste von Aufnahmekriterien noch einen Zeitplan für die Antragsteller geben wird. „Es ist nicht in unserem Interesse“, erklärte unlängst eine Clinton-Beraterin, „irgend etwas zu tun, was den antiwestlichen Strömungen in Rußland Auftrieb geben würde.“

Daß sich Rußland damit in Washington ein Vetorecht gegen die Bündnispolitik „seiner“ ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten geschaffen habe, streitet die Clinton- Administration ebenso ab wie den Vorwurf, bei dem „Partnership for Peace“-Kompromiß handele es sich nur um ein Besänftigungsmanöver für ehemalige Warschauer- Pakt-Staaten, die nun aus Angst vor dem russischen Nachbarn ins westliche Bündnis drängen. Die Frage ist, ob die Regierungschefs dieser Länder, die Clinton nach dem Nato-Gipfel in Prag treffen wird, von der Ernsthaftigkeit der USA überzeugt werden können. Um einen Eklat, sprich: eine Ablehnung des „Partnership for Peace“-Vorschlags durch einen oder mehrere mittelosteuropäische Länder zu vermeiden, hat Präsident Clinton als Vorbotin UN-Botschafterin Madeleine Albright und den neuen Chef des Generalstabs und damit ranghöchsten Militär, General John Shalikashvili nach Prag, Budapest, Warschau und Bratislava geschickt. Doch zu mehr als rhetorischen Beteuerungen, wie sie am Donnerstag auch US-Vizepräsident Al Gore bei einer außenpolitischen Rede vor dem „Institute of World Affairs“ in Milwaukee zuhauf bot, ist die Clinton-Administration nicht bereit. „Die Sicherheit der Staaten zwischen Rußland und Westeuropa betrifft auch die Sicherheit der USA“, erklärte Gore, doch das ändert nichts an der Priorität der US-Regierung: Die Nato als Militärbündnis, das nach Ende des Kalten Krieges ohne Feindbild ziemlich orientierungslos dasteht, soll, kurz nach Ende des Kalten Krieges, nicht neue Gräben in Europa schaffen.

Das Interesse der USA an der Nato schwindet

Gäbe es die Nato nicht, schreibt Buchautor und Los-Angeles-Times-Kolumnist Jonathan Clarke in der jüngsten Ausgabe von Foreign Policy, „dann würde Washington das Bündnis heute kaum erfinden“. Clarke trifft einen zentralen Punkt. Denn hinter der US-Position steckt natürlich mehr als die Erwägung, Boris Jelzin gegen die Schirinowskis der russischen Politik den Rücken zu stärken. Die Vorstellung, im Rahmen der Beistandsklausel der Nato in irgendeinen west-, ost- oder mitteleuropäischen Konflikt verwickelt zu werden, löst in den USA mindestens so viel Schrecken aus wie der Wahlerfolg Schirinowskis.

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