Keine Anstiftung?

■ Anklage wegen Dolgenbrodt erhoben

Berlin (taz) – Dolgenbrodt, ein 260-Seelen-Dorf bei Berlin, steht seit einem taz-Bericht vom August vergangenen Jahres unter einem furchtbaren Verdacht: Dorfbewohner sollen 2.000 Mark Prämie für das Abfackeln des Asylbewerberheimes geboten haben. Dies hatte Silvio J. behauptet, ein 19jähriger Rechtsradikaler, der sich in einer einschlägigen Skinhead- Kneipe im nahe gelegenen Königs Wusterhausen der Tat einschließlich der Bezahlung gerühmt hatte. Das ehemalige Mitglied der verbotenen „Nationalen Front“ stand schon bei seiner Verhaftung im Mai 1993 unter dringendem Tatverdacht. Jetzt hat die Potsdamer Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn erhoben. Ihm werden Brandstiftung, Verstoß gegen das Waffengesetz sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen.

Der Verdacht, daß Dolgenbrodter Bürger zur Tat angestiftet hätten, habe sich indes nicht bestätigt, so Oberstaatsanwalt Bernd Leu. Dabei hatte Silvio J. nach seiner Festnahme auch gegenüber der Polizei erklärt, er wisse, daß aus dem Dorf „finanzielle und logistische Unterstützung erfolgt“ sei. Ein 58jähriger aus einem Nachbardorf hatte gegenüber taz-Reporterin Michaela Schießl ebenfalls erklärt, ein Dolgenbrodter hätte ihm nach dem vierten Bier erzählt, daß es eine Geldsammlung gegeben habe, um Skinheads anzuheuern. Gegenüber der Bild-Zeitung hatte Silvio J. zudem erklärt, „den Kontakt zu vier Mitgliedern einer Wehrsportgruppe hergestellt“ zu haben. Die Polizei geht von drei Tatbeteiligten aus. Ermittlungsverfahren gegen mögliche, aber bislang unbekannte Mittäter seien noch nicht abgeschlossen, hieß es aus der Potsdamer Staatsanwaltschaft.

Das unbewohnte Asylbewerberheim war in der Nacht zum 1. November 1992, einen Tag vor der Ankunft der ersten Flüchtlinge, durch einen Molotowcocktail in Brand gesetzt worden und völlig niedergebrannt. Obwohl die Wachleute sofort Alarm schlugen und die Feuerwache nur zweihundert Meter von dem früheren Ferienheim entfernt ist, begannen die Löscharbeiten erst nach 40 Minuten. Am Abend nach dem Brand kam es im Dorfgasthof zu einer Art Siegesfeier. Im Vorfeld hatte eine Bürgerinitiative versucht, die Unterbringung von Flüchtlingen im Ort zu verhindern. Ex-Bürgermeisterin Ute Preißler erklärte im August: „Wir waren nicht sehr traurig, daß damit das Problem erst einmal gelöst schien.“ win