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Stahlwerke: Der Filz hat System

■ Über Funktions- und Subventionsmechanismen der Hamburger Politik   Von Florian Marten

Wenn die Bürgerschaft heute nachmittag den Subventionsskandal bei den Hamburger Stahlwerken (HSW) debattiert (taz berichtete), steht die schier unauflösliche Verfilzung von Sozialdemokratie, Senat, Verwaltung, Staatsunternehmen und Gewerkschaften auf der Tagesordnung. Die Geschichte der HSW zeigt, anschaulich wie kaum eine andere, die Gesetze des Hamburger Filzdschungels:

Seit mehr als einem Jahrzehnt zählt der Hafen zu den Verlierern des Strukturwandels. Auf einem Areal von 3580 Hektar, das sind 40 Prozent der Hamburger Gewerbefläche, werkeln nur 5 Prozent der Hamburger Beschäftigten, eingeschlossen die Arbeiter in den Alu- und Stahlwerken. Dies hält Regionalökonom Dieter Läpple (TU Harburg) für extrem unwirtschaftlich, und auch Oberbaudirektor Egbert Kossak schimpft über das „Tabu Hafen“ und die „Dominanz der Hafenlobby“, weil diese städtische Zukunftschancen beeinträchtige. Den Hamburger Filz stört das nicht. Machterhalt ist sein Ziel, der Hafen seine Religion. Im Hafen schöpft er Kraft und Identifikation. Baufirmen, staatliche Großbetriebe und straffe Gewerkschaftsbastionen laben sich an einem Subventionsfaß ohne Boden. Eine bestens funktionierende staatskapitalistische Maschinerie, die unaufhörlich städtische Ressourcen in das Hafengebiet pumpt. Der Fall HSW zeigt, wie das funktioniert:

1983, in der ersten HSW-Existenzkrise, übernahm die Stadt die ökonomische Existenzgarantie durch Zuschüsse, Bürgschaften und ein Eigenkapitaldarlehen. Ende 1992, die zweite Existenzkrise war angesagt, spendierten die Stadt neue Bürgschaften, die Landesbank Kredite, die Finanzbehörde eine Pachtzinssenkung, die HEW eine Strompreisermäßigung und die IG Metall das Wohlverhalten der Beschäftigten. Ende 1993, von Fachleuten nicht anders erwartet, lebte die Existenzkrise erneut auf – das Spiel begann von vorn.

Eine öffentliche Debatte über diese Subventionen findet nicht statt. Für derart bedeutsame Geschäfte hat man schließlich die geheim tagende „Gemeinsame Kreditkommission“. Dieses Gremium ist, so rügte bereits 1989 der Landesrechnungshof, „die wesentliche Steuerungseinheit für Wirtschaftsförderungsmaßnahmen“. Angesichts ihrer „nicht hinreichend klaren Rolle im Verhältnis zwischen Senat und Bürgerschaft“ forderte der Rechnungshof eine Reform. In der Kreditkommission bilden Finanz- und Wirtschaftsbehörde, SPD und Gewerkschafter (IG-Metall und DGB) eine unüberwindbare Mehrheit: die Voraussetzung für schnelle und heimliche Hilfe.

So richtig pikant wird es, schaut man sich die vielfältigen Verflechtungen der beteiligten Akteure an. Zum Beispiel die IG Metall sitzt nicht nur im Aufsichtsrat und auf der Arbeitnehmerbank des (Atom-) Stromlieferanten HEW, sondern auch in der Kreditkommission, der SPD-Bürgerschaftsfraktion und natürlich im Betriebsrat der HSW.

Für ein zweites Beispiel ist der SPD-Bezirk Wandsbek gerade gut genug: Dessen graue Eminenz Gerd Weiland war nicht nur bis vor kurzem Co-Chef der HSW, sondern 1983 auch Vergleichsverwalter der HSW, sowie Chef des Haushaltsausschusses, der u.a. die erste Welle von HSW-Bürgschaften billigte (Weiland nahm selbstredend an den entsprechenden Sitzungen nicht teil).

Als Weiland jetzt gehen mußte, folgte ihm Elisabeth Kiausch – aus Wandsbek natürlich. Der Wandsbeker Henning Voscherau half den Stahlwerken sowohl als Notar und Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion wie jetzt auch als Senatschef. Mit Günter Elste ist auch die SPD-Bürgerschaftsfraktion unter Wandsbeker Führung. Elste ist gleichzeitig Chef der Staatsholding HGV, die den städtischen Gesamtbesitz managt.

Noch Fragen? Wenn ja: Die SPD Wandsbek, die IG Metall, die Hamburgische Landesbank, Henning Voscherau und Gerd Gustav Weiland könnten sicherlich weiterhelfen.

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