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„Demokratische“ Fotofälscher

■ Architektur-Simulation: Ein Ausstellung an der Hochschule mit Hintersinn für Großgeräteantrag erhofft

Zwei Fotos. Eins zeigt ein grünes Ufer an einer Hamburger Fleet, direkt beim neuen Steigenberger, Weiden, Klee, Moos, wahrscheinlich Ratten. Das zweite zeigt ein elegantes, mit den Füßen im Wasser stehendes Bürogebäude aus dunkelrotem Klinker und viel Glas - an der Stelle, wo es einst grün war. Vom Grün sind ca. 8 qm übriggeblieben. Dann gibt es noch die Wahrheit: dortselbst ist zur Zeit eine Großbaustelle.

„Architektursimulation“ ist das Stichwort, das neuerdings viele Architekten auf die Palme bringt und die Bauherren von Großprojekten, Stadtväter und Stadtplaner freut: Mithilfe ausgeklügelter Computerprogramme gelingt es spezialisierten Firmen, bisher nur auf dem Papier geplante Bauwerke in echte Fotos vom künftigen Standort zu montieren, so daß nur noch das geschulte Auge die Fälschung bemerkt. Um die Bilder „fotorealistisch“ zu gestalten, ist den Fälschern keine Mühe zu groß: Sie knipsen echte Menschen, parkende und fahrende Autos und Zierpflanzen und füttern ihre Datenbank damit. Sie können per Knopfdruck den Tag zur Nacht machen und aus Sonnen- Schmuddelwetter. Die Hochschule Bremen zeigt bis zum 20. Januar im Bereich „Baudokumentation“ Beispiele solcher Architektursimulationen. 20 DIN A3- Fotos der Hamburger Firma „VAP- Architektursimulation“ werden ausgestellt.

Der Architekt als der große Magier, der aus Bleistiftstrichen ungeahnte Baukörper mit für Laien unabsehbaren Folgen fürs Stadtbild schöpft - vorbei! Gibt man den Computerfreaks, Grafikern und Videokünstlern von VAP die Blaupause in die Finger, machen die schon einmal ein vorauseilendes Foto, und siehe da: Mehrfach haben schon Stadtväter die Hände über dem Kopf zusammen– und die Zeichnungen dem Architekten um die Ohren geschlagen - so häßlich hatten sie sich das neue Finanzamt nicht vorgestellt!

„Ein demokratisches Mittel, ein politisches Medium“, heißt es denn auch euphorisch bei der Hamburger Firma VAP, die seit zwei Jahren am Markt ist; der Laie soll bei Großbauten mehr Entscheidungskompetenz bekommen. Weil aus der Simulationsmaschine echte Fotos mit hoher Auflösung herauskommen, lassen sich die Zukunftsbilder auf Bauschildgröße hochziehen.

Allerdings gestattet diese Technologie auch jede Menge subtiler Tricks, mit denen der Auftraggeber sein Bauwerk, so er will, verkaufen kann. Grundsätzlich herrscht natürlich schönstes Sonnenwetter, Schmutz findet nicht statt, ebensowenig das resultierende Verkehrschaos am neuen Einkaufszentrum, und jedes die Harmonie störende Detail ist im Handumdrehen kaschiert.

Der Fachbereich Architektur der Hochschule Bremen stellt die Bilder nicht ohne Hintersinn aus: Professor Dietrich Kruppa und seine Mitarbeiterin Steffi Kollmann bereiten gerade einen „Großgeräteantrag“ vor. Sie möchten für den Fachbereich die Computertechnik der Architektursimulation einkaufen. Eine Ausbildung in dieser Richtung wäre für die derzeit 600 ArchitekturstudentInnen eine sinnvolle Zusatzqualifikation.

An die 200.000 Mark kostet die Komplettanlage, mit digitaler Kamera, Rechner, Spezial-Laserdrucker, Scanner, Bild-CD und Videoeinrichtung. Dazu kämen 25.000 Mark für die Software. Das ist nicht viel Geld, wenn man bedenkt, daß eine Simulation bei VAP zwischen 15.000 und 20.000 Mark kostet. Der naheliegende Gedanke, daß man mit der Anlage selbst Geld verdienen könnte, schmeckt Frau Kollmann allerdings nicht: „Dann ist das Labor doch dauernd wegen kommerzieller Aufträge belegt und für die Studenten blockiert.“ Zu ihren Erfolsaussichten befragt, ist die Diplomingenieurin allerdings vorsichtig, geht doch von den Architekten hochschulintern die Rede: „Mit Bleistift und Reißschiene kommt ihr aus!“ Bus

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