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Der unwiderstehliche Drang, sich lächerlich zu machen Von Ralf Sotscheck

Eine Woche kann ziemlich lang sein in der Politik – vor allem, wenn das Unglück es will, daß man britischer Premierminister ist. Wenn John Major demnächst Zeit hat, seine Memoiren zu schreiben, wird die vergangene Woche mindestens ein Kapitel einnehmen. Titel: „Der beschleunigte Abgang“. Ein Nachfolger steht auch schon fest. Der rechte Tory-Flügel erkor am Wochenende den Staatssekretär im Finanzministerium, Michael Portillo, zu ihrem Wunsch-Brutus, der Major im Herbst stürzen soll. Mit einer kritischen Rede am Freitag hat Portillo seinem Chef das Messer jedenfalls schon ein kleines Stück in den Rücken gerammt. Bei Major liegen die Nerven blank. Selbst die Tory- Gazetten fallen inzwischen über ihn her. Sie berichteten am Samstag, daß der Premierminister bei einem harmlosen Presse-Dinner angedroht habe, er werde „die Tory- Rechte ans Kreuz nageln“. Dabei soll auch das böse „F-Wort“ gefallen sein: „Fucking“.

Unterdessen zerbröselt Majors Kabinett ihm in den Händen. Mußten im vergangenen Jahr zwei Minister und ein Staatssekretär den Hut nehmen, so geht es in diesem Jahr nahtlos weiter. Der Staatssekretär Tim Yeo trat zurück, weil er eine außereheliche, aber sehr fruchtbare Beziehung zu einer Parteifreundin unterhalten hatte. Die Tochter kam vor einem halben Jahr zur Welt. Kaum hatten sich die Wogen etwas geglättet, mußte Yeo eingestehen, daß er vor 26 Jahren schon einmal außerehelicher Vater geworden ist. Vor acht Tagen trat dann ein weiterer Staatssekretär zurück: Graf Caithness legte sein Amt nieder, nachdem seine Frau sich mit seinem Gewehr erschossen hatte. Wegen finanzieller Sorgen, sagten die Parteistrategen. Weil ihr Mann sie ständig betrogen hatte, sagten ihre Eltern.

Die Suppe hat sich Major freilich selbst eingebrockt: Auf dem Parteitag im vergangenen Oktober hatte er von „moralischer Erneuerung“ gesprochen. Zurück zu den Grundwerten, alle Macht der Familie, nieder mit ledigen Müttern, so hießen die Parolen – und die verlogenen Staatssekretäre hatten öffentlich am lautesten dazu gejubelt. Der offenbar unwiderstehliche Drang, sich zum Gespött der Nation zu machen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Reihen der Tories. So hätte die Nachricht, daß Hinterbänkler David Ashby seine Frau nach 20 Jahren Ehe verlassen hat, um mit einem Mann zusammenzuleben, wohl selbst in konservativen Kreisen höchstens indigniertes Stirnrunzeln hervorgerufen. Mit seiner Behauptung, er habe auf einer kulinarischen Frankreichreise das Bett mit einem anderen Mann nur deshalb geteilt, um Geld zu sparen, erntete er freilich schallendes Gelächter.

Major versuchte am Wochenende, die Dämonen, die er selbst gerufen hatte, schleunigst wieder loszuwerden. Es gehe gar nicht um die Moral einiger Tories, beteuerte er, sondern um Grundauffassungen in der Gesellschaft. Doch auch da haben die Tories Dreck am Stecken. Die Berichte über Wahlbetrug in den Londoner Bezirken Westminster und Wandsworth sind langfristig wahrscheinlich schädlicher als die Sex-Skandälchen einiger verlogener Minister. So sollen die Parteistrategen in den beiden Tory-Paradebezirken die Arbeitslosen scharenweise aus den Sozialbauwohnungen gedrängt und diese dann an treue Wähler verscherbelt haben. Sollte diese Woche für Major etwa noch länger werden?

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