: Interview „Ich lehne Sanktionen ab“
■ Wissenschaftssenator Leonhard Hajen im taz-Interview über den Hamburger Uni-Streik und das Eckwerte-Papier
taz: Vorige Woche haben Hamburgs Studenten gegen das Eckwerte-Papier gestreikt. Teilen Sie die Auffassung Ihrer Genossin Stapelfeldt, daß dieses Papier der Kultusministerkonferenz (KMK) nach dem Scheitern des Bonner Bildungsgipfels obsolet ist?
Leonhard Hajen: Nein, das glaube ich nicht. Totgesagte leben bekanntlich länger. Davon abgesehen stehen im Eckwerte-Papier hochvernünftige Sachen drin. Das Ziel dieses Kompromisses war ja, 2 Milliarden Mark für den Hochschulbau zu kriegen. Und dafür eine Einigkeit von München bis Kiel herzustellen. Das ist schon ein Treffen auf dem kleinsten Nenner gewesen. Die wichtigsten Forderungen: Studienreform, mehr Gewichtung der Lehre, mehr Geld für den Hochschulbau, das bleibt alles richtig.
Und es bleibt genauso richtig, daß die Formulierung, die zur Frage der Zwangsmaßnahmen gefunden wurde – das ist ja der Punkt, der die Studenten ärgert und ängstigt –, ein Kompromiß ist. Den ich aber nicht faul finde. Da steht: Wenn angemessene Studienbedingungen realisiert sind, dann stellen die Ministerpräsidenten diese in Aussicht.
Was verstehen Sie unter „angemessenen Studienbedingungen“?
Dies muß jedes Land für sich selbst bestimmen. Für mich heißt das, wenn wir die Überlast an den Universitäten abgebaut haben.
Das Bundesbildungsministerium sagt aber, die Verkürzung der Studienzeit und die Verbesserung der Qualität der Lehre würde schon ausreichen.
Ja, aber was heißt Verbesserung der Lehre?
Im Sinne von Selbsterneuerung und Evaluation.
Das ist Pipifax.
Sie sagen, es sei unwahrscheinlich, daß Zwangsmaßnahmen umgesetzt werden. Andere Länder sehen dies anders.
Ja. Auch in der Kultusminister-konferenz. Die CDU-Länder sind da mit der Position angetreten: Wir haben seit 15 Jahren Richtwerte für Regelstudienzeiten, nichts ist passiert – also müssen jetzt Sanktionen bei den Studenten ansetzen. Die SPD-, FDP- und Grün-regierten Länder haben gesagt: Nein. Wir müssen erst Bedingungen schaffen, daß das Studium tatsächlich in der Regelstudienzeit abgeschlossen werden kann. Und dazu hat die KMK auch klar vereinbart, daß man die Reform der Studienordnung und Prüfungsordnung unter der Frage angeht: Ist das überhaupt noch studierbar.
In der „Mainzer Erklärung“ steht, wenn bis 1995 die Studierbarkeit erreicht ist, werde man Sanktionen einführen. Welche Verbindlichkeit hat für Hamburg die Unterschrift Voscheraus unter dieses Papier?
Das ist ja kein Staatsvertrag, sondern eine politische Absichtserklärung der Ministerpräsidenten. Es herrscht Kulturhoheit der Länder. Aber wir haben alle ein starkes Interesse, daß das Hamburger Diplom in München anerkannt wird und umgekehrt.
Dann sind die Ängste der Studenten also berechtigt?
Ich betone: Was vernünftig ist an diesem Papier, das will ich auch umsetzen. Ich werde nicht das Pferd von hinten aufzäumen, ich lehne Sanktionen ausdrücklich ab. Unsere Strategie ist, wir wollen motivieren, wir wollen reformieren und nicht sanktionieren.
Sind Sie da einer Meinung mit dem Bürgermeister?
Ja. Wir haben das Strukturentwicklungskonzept im Herbst 1992 beschlossen. Da sind die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Hamburger Hochschulen bis zum Jahr 2000 festgelegt. Und da ist nix mit Zwangs-exmatrikulation.
Fragen: Kaija Kutter
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