■ Kommentar: Jagdsaison
Die Schonzeit ist vorbei. Die Jagd ist frei auf den roten Fuchs Henning Voscherau, der noch 1990 glaubte, mit der von den Grünen abgeworbenen Thea Bock der Hamburger GAL den Todesstoß versetzen zu können. Heute jagen die grünen Joppen die abgehetzten Altparteien.
Ohne Frage: Hamburgs Grüne sind dabei, ihre rücksichtsvolle Bescheidenheit abzulegen. Juniorpartner der SPD oder Opposition gegen das sozialdemokratische Über-Ich – diese Formen der Fixierung auf die Sozialdemokratie sind Geschichte. Mehrheiten gewinnen, Politik gestalten, den Menschen neue, glaubwürdige PolitikerInnen anbieten: Hamburgs Grüne haben seit dem Mai 1993 eine geradezu sensationelle Entwicklung genommen.
Mit Krista Sager verfügen sie dabei über eine Politikerin ganz neuen Typs: Quadratisch, praktisch, gut. Sie ist keine charismatische Visionärin, keine machthungrige Toskana-Emanzipierte und keine altlinke Doppelnamen-Ex-68erin. Krista Sager, bei Stahlarbeitern, grünen Fundis, Medien, weiblicher Wählermehrheit und Handelskammer inzwischen gleichermaßen gut gelitten, steht für Kompetenz, Glaubwürdigkeit, Integrität und Veränderungswillen.
Sie ist damit das direkte Gegenstück zu den verbrauchten, vom Machterhalt besessenen ältlichen Männern der Sozialdemokratie, die eine Thea Bock wie einen schmutzigen Putzlumpen in die Ecke schmeißen, der seine Schuldigkeit getan hat. Der Kampf um Hamburg-Nord wird ein wichtiger Test für die weiteren Perspektiven der grünen Politikerin. Ökologische Jagdtrophäe könnte eines (fernen) Tages der Amtssitz einer Ersten Bürgermeisterin sein.
Florian Marten
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