: Entscheidet Kulturpolitik ohne Vision?
■ Stand der Dinge: Podiumsdiskussion mit Kulturpolitikerinnen und Theatermachern
Viel Neues brachte die sonntägliche Podiumsdiskussion zur Frage „Neues Denken in der Kulturpolitik?“ nicht. Drei Politikerinnen - die niedersächsische Ministerin für Kultur und Wissenschaft Helga Schuchardt, Helga Trüpel, Kultursenatorin in Bremen und Hamburgs Kultursenatorin Christina Weiss -, sowie drei Theaterschaffende - Tom Stromberg vom „Theater am Turm“ (TAT) in Frankfurt, Res Bosshart vom Theaterspektakel Zürich und zukünftiger künstlerischer Leiter von Kampnagel und der Intendant des Deutschen Schauspielhauses Frank Baumbauer - fanden wenige gemeinsame Essentials, aber auch keinen fundamentalen Streit.
Zweieinhalb Stunden präsentierte das Podium Statements zum kulturellen „Stand der Dinge“, die aktuelle knappere Finanzlage einbeziehend, und betonten Gesprächsbereitschaft, sei es auch aus Vernunftgründen. Die Bremer Kultursenatorin stellte die Notwendigkeit einer „neuen Bescheidenheit“ in den Vordergrund ihres Statements, was Helga Schuchardt prinzipiell unterstrich, Christina Weiss jedoch zu Widerspruch anregte. Sie forderte mehr Eigeninitiative und betonte die gesellschaftspolitische Funktion der Kulturpolitik: „Unsere Motivation für das Leben in Gemeinschaft wird fast ausschließlich von Kultur vermittelt“. Tom Stromberg vom TAT in Frankfurt bemängelte die fehlende Standhaftigkeit der Politiker, wenn es beispielsweise um Personalbesetzungen gehe. So entstände ein ständige Unsicherheit und folgerichtig wäre wenig konsequente Arbeit vorprogrammiert.
Am Ende der Veranstaltung wiederholten die Politikerinnen ihre Aussagen eher, als daß sie sich mutig der Frage nach den konkreten Inhalten von Kultur stellen mochten. So scheuten sie auch die Qualitätsdebatte: Welche Art Kultur ist überflüssig? Was läßt sich in Sachen Kunst und Kultur qualitativ einstufen, und ist diese Frage überhaupt zulässig? Dieses Manko der Diskussion beklagten sowohl die Theatermacher als auch das Publikum, was ein inhaltliches Gespräch allerdings auch nicht in Gang brachte. Res Bossart mochte sich denn auch einer neuen Bescheidenheit nicht fügen, wenn er den Qualitätsmaßstab nicht kenne.
Auf den Anwurf von Helga Schuchardt, viele große Theater würden Geld verschwenden, empörte sich Frank Baumbauer: „Nennen Sie die Theater, die schlecht wirtschaften“, erhielt aber keine Antwort. Eine Qualitätsdebatte ist auch für ihn entscheidend, allerdings wehrt er sich gegen kurzatmig getroffene Entscheidungen. Abstimmen könne man über Qualität schwerlich, warf Tom Stromberg ein: „..aus dem gleichen Grund, aus dem man auch über die Todesstrafe nicht abstimmen sollte“, denn Theater sei nicht mehrheitsfähig, sondern elitär. Das erregte den Widerspruch im Publikum und provozierte die Antwort, Kultur sei nicht Luxus sondern vielmehr lebensnotwendig.
Eine inhaltliche Stellungnahme seitens der Poltikerinnen ist natürlich insofern schwierig, als daß gewisse Kultureinrichtungen in der momentanen Spardiskussion dadurch positiv oder negativ vorbelastet würden. So blieb die Diskussion auf allgemeiner Ebene stecken und resümierte nicht mehr als prinzipielle, also unfaßbare Forderungen. Simone Ohliger
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