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Fingerzeige, daumesdick

■ „Biedermann und die Brandstifter“ in Bremerhaven

Ist es möglich, Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ auf die Bühne zu stellen, ohne die Wirklichkeit platt zu verdoppeln und ihr mit der Wucht des moralischen Zeigefingers begegnen zu wollen? Die Planer im Stadttheater Bremerhaven werden das sprichwörtlich gewordene Gleichnis aus guten Gründen in den Spielplan aufgenommen haben, es sind die Gründe, die auch für die guten Lichterketten sprachen. Aber Max Frischs „Lehrstück ohne Lehre“ ist stärker als der moralisch einwandfreie Protest des guten Gewissens.

Paul Bäckers Inszenierung schwankt zwischen überdeutlicher Aktualisierung und einem großen Vertrauen in das Spiel von Frisch, in dem jedes neue Wort überflüssig ist. Warum muß Gottlieb Biedermann alle paar Minuten aus der Szene sprinten, um einer verkrampften TV-Talk-Moderatorin Rede und Antwort zu stehen? Sobald er wieder zurück ist (im passend gebauten Aufriß eines Villen- Wohnzimmers), und der fette Ringer namens Schmitz in sein Leben platzt, gewinnt die Inszenierung an Spannung. Die beleuchtete Bahnhofsuhr über der Bühne, der Stadtplan Bremerhavens als Diaprojektion, das Auswandererdenkmal am Weserdeich als Silhouette im knallrot gefärbten Hintergrund- Himmel, das Original-Graffito von der Außenwand des Theater, das von den gefährdeten Flüchtlingen und der faschistischen Kontinuität spricht, alle diese Fingerzeige und lokalen Verweise wären gar nicht nötig gewesen.

Das makabre Spiel zwischen dem Haarwasser-Fabrikanten Biedermann und den beiden Brandstiftern, die sich im Keller seines Hauses einnisten und die nackte Wahrheit zu ihrer besten Waffe machen, ist deutlich und scharf genug.

Daß am Premieren-Abend die Funken aufs Publikum und vor allem auf die vielen Jugendlichen überspringen konnten, war nicht nur den beiden gut besetzten Brandstiftern zu verdanken, sondern vor allem dem Schauspieler Uli Pleßmann, der als kahlköpfiger Biedermann die joviale Maske aus Naivität, Coolness, Angst und Zynismus mit einer Freundlichkeit ausstattete, die ihn als den guten Nachbarn von nebenan sympathisch, äußerst glaubwürdig und damit umso gefährlicher machen mußte. Hans Happel

Nächste Vorstellung am 25.1., 20 Uhr, Stadttheater Bremerhaven

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