Warten auf die Beutelpest

■ Erste Gifttüte auf Norderney angelandet / Töpfer: Menetekel / Greenpeace: Produktionsstopp!

Hamburg/Juist (taz/dpa/AP) – Verwirrung um die auch der deutschen Nordseeküste drohende Beutelpest aus dem Hause Ciba-Geigy: Greenpeace hatte zunächst erklärt, daß es sich bei vier auf der Insel Juist gestrandeten Behältnissen um Tüten mit dem Pestizid „Apron Plus 50 DS“ handele, die aus der über Bord gegangenen hochgiftigen Ladung des Frachters „Sherbro“ stammten. Udo Gesang, der Kurdirektor des Eilands, verkündete hingegen, daß es sich um Milchtüten aus den Niederlanden handele. Erst am späten Nachmittag bestätigte dann ein Sprecher der Bezirksregierung Weser-Ems, daß auf Norderney der erste Pestizidbeutel mit hundertprozentiger Sicherheit identifiziert worden sei.

Die Beutel, von denen bereits rund 130.000 an der niederländischen Küste – die meisten unweit der Insel Texel – gestrandet sind, stammen von dem französischen Frachter „Sherbro“, der am 9. Dezember bei stürmischer See 88 von insgesamt 800 geladenen Containern verloren hatte. Mindestens fünf davon waren mit gefährlichen Pestiziden des Schweizer Chemiemultis Ciba-Geigy beladen, die auf dem Weg nach Nigeria waren. Obgleich es Anlaß zur Hoffnung gibt, daß in Deutschland nur vereinzelte Pestizidbeutel landen, wurde entlang der gesamten Nordseeküste intensiv weitergesucht. Die Wasserschutzpolizei in Emden sah „keinerlei Anlaß zur Entwarnung“. Auch die Bezirksregierung Oldenburg bezeichnete die Gefahr als „nicht gebannt“.

Die niederländischen Beutelsucher fanden gestern am Strand von Scheveningen wieder mehrere Dutzend Tüten. Die niederländischen Behörden hatten bis dahin angenommen, daß sich die schätzungsweise 70.000 noch auf See treibenden Tüten alle nördlich der niederländischen Watteninseln befänden. „Vielleicht hat das Schiff noch einen weiteren Container verloren, oder es handelt sich bei diesen Tüten um Nachzügler“, sagte der Leiter der Säuberungsaktion im niederländischen Fernsehen. Bisher sind an der niederländischen Küste 130.000 Beutel mit dem Insektengift eingesammelt worden.

Über die Zahl der noch flottierenden Beutel besteht weiterhin Unklarheit. Nach einem Sprecher des niederländischen Verkehrsministeriums sind noch 110.000 Beutel nicht eingefangen. Nach Berechnungen von Greenpeace hat der über Bord gegangene Container 7,2 Tonnen Ladung gehabt. Da ein Beutel zehn Gramm schwer ist und bislang 4,7 Tonnen sichergestellt wurden, müßten noch fast 200.000 Beutel in der Nordsee schwimmen. Greenpeace erneuerte seine Forderung nach einem Produktionsstopp für solch toxische Chemikalien, wie sie jetzt an der Nordseeküste angespült werden.

Bundesumweltminister Klaus Töpfer geht so weit nicht. Er forderte gestern im Südwestfunk lediglich eine Meldepflicht über verlorene Ladungen, Ortungsanlagen für die Suche nach verlorenen Containern sowie bindende Vorschriften für Containerschiffe und die Lagerung der Container. Gefahrgüter sollen künftig möglichst unter Deck verstaut werden. Die Bedrohung der Strände von Borkum, Juist, Norderney und Baltrum, sagte Töpfer, „ist ein Menetekel, das zum Handeln zwingt“. Seiten 6 und 10