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Filz-Frust: Frahm flieht

■ SPD-Chef will nicht wieder kandidieren / „Keine Basis für vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Parteispitze“ Von Uli Exner

Hamburgs Sozialdemokraten müssen sich einen neuen Chef suchen. Helmuth Frahm, SPD-Vorsitzender seit 1991, wird bei den Vorstandswahlen Ende Februar nicht wieder kandidieren. Gründe für seinen nicht ganz überraschenden Rückzug: Frahm sieht in der SPD-Funktionärsriege keine Mehrheit für die von ihm gewünschte Erneuerung der Partei.

Den Ausschlag für seine gestern nachmittag verkündete Entscheidung gab der parteiinterne Personalschacher der vergangenen Wochen. Bei den Besetzungen der Senatorenämter, der Vor-Auswahl der Bundestagskandidaten, und auch bei der Suche nach einem neuen Partei-Vize hatte der als „Softie“ verschrieene Frahm sich mit seinen Wünschen nach personeller Erneuerung nicht gegen die rechten und linken Kungelkreise durchsetzen können. Pöstchenschieberei nach dem Motto „einer links, einer rechts“, so Frahm, „paßt nicht in die Zeit, das ist nicht mein Konzept“.

Beispiele? Der Rauswurf der hausmachtlosen Lore Maria Peschel-Gutzeit aus dem Senat (Frahm: “Dafür schäme ich mich.“); die Nominierung des Senatsgruftis Wolfgang Curilla als hoffnungsvollem Nachwuchs-Bundestagskandidaten (“Dafür will ich keinen Wahlkampf machen.“); die Besetzung der Fraktionsspitze mit der alten Funktionärsriege Elste, Kleist, Ehlers (“hat mich irritiert“); die Abstrafung jener zwei Mitglieder der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (Afa), die im Landesvorstand für rotgrüne Verhandlungen gestimmt hatten und dafür von ihren rechten Afa-Kollegen abgewählt wurden (“Indianerspiele der alten Art“).

Bis zuletzt hatte Frahm die Hoffnung, sich wenigstens bei der Neubesetzung des Parteivorstands durchsetzen zu können. Doch auch sein Ziel, wenigstens „die Parteispitze neu und jung zu besetzen“, konnte er nicht erreichen. In zahlreichen Gesprächen mit den amtierenden Parteikadern wurde ihm bedeutet, daß auch seine beiden künftigen Stellvertreter im Parteivorsitz nicht nach Eignung, sondern nach Proporz auszuwählen seien. Die Rechten wollten die Voscherau-Vasallin Petra Brinkmann in das Gremium hieven, die Parteilinke wollte partout die als Senatorenkandidatin durchgefallene Dorothee Stapelfeldt installieren. Frahms eigene Vorschläge, das ist dem noch amtierenden Parteichef jetzt klar geworden, würden beim Parteitag keine Mehrheit finden.

Leicht fällt dem 47jährigen Lehrer, der die SPD so gerne noch zu einer „modernen Großstadtpartei“ geformt hätte, der Abschied vom SPD-Chefsessel nicht. „Es ist das schönste Amt, das die SPD zu vergeben hat“, beteuerte er gestern wehmütig – aber: „Mein Masochismus ist begrenzt“. Die Basis „zur für dieses Amt notwendigen vertrauensvollen Zusammenarbeit“ sei nicht mehr gegeben.

Noch was? Ach ja. Henning Voscherau, als einziger SPD-Politiker vorzeitig über den Rückzug informiert, „bedauerte“ gestern die Entscheidung Frahms. Eine politische Notwendigkeit für den Schritt konnte der Bürgermeister nicht erkennen.

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