: Rund ums Zwischenstadium
■ Neues von „Cpt. Kirk &.“: Ein halbe CD-Seite von „Round About Wyatt“
Menschen mit Ressentiments ernennen sie zu selbsternannten Vorreitern oder fehlgeleiteten Exoten: Die ambitionierten, ideengestopften Platten Stand Rotes Madrid und Reformhölle der Gruppe Cpt. Kirk &. hallen auch heute noch in der Welt zwischen „dem Wirtschaftsstandort Deutschland“ und dem gleichnamigen „Freizeitpark“ nach. Cpt. Kirk &. üben seit Jahren das aggressive Differenzieren. Oder malen den schönen Geist an die Wand. Für die letzte Platte Reformhölle akkumulierte Sänger und Gitarrist Tobias Levin seine Ansprüche: Auf der einen Seite verknappte Texte, viel Gesellschaftsanalyse, ineinander verschraubte Redewendungen, eingeschobener Klartext und hingestreute Momentaufnahmen.
Eine Art Methapher'n'Roll, konstruiert nach Beschäftigung mit der Frage: Wie erschießt Mensch Allgemeinplätze? Auf der anderen Seite sammelten Cpt. Kirk &. musikalisch Bruchstücke für eine allmählich vorbildlose Musik zusammen. Entsprechend macht es bis heute Sinn, Reformhölle nicht nach stilistischen Zuordnungen einzugrenzen. Beschreibung, die mit vollem Recht schwere Substantive in leichte Kompliment-Gewänder hüllen, erfüllen hier weit besser ihren Zweck: die mitreißende Zerbrechlichkeit der Kompositionen wurde beschrieben, die aufregenden „Schichtungen“ der Instrumetal-Parts bewundert und die „Schönheit“ der Arrangements erkannt. Die Stücke klangen nicht nur „anders“, sie schienen aus einem anderen Material zu bestehen. Auf eine fast naseweise Art betonte die Platte Pop-Komponenten: Hier war die Methode, auf die Füße zu fallen und Platzvorteil anzumelden.
Wie aus einem Zwischenstadium heraus geklaubt wirkt die neue Platte Round About Wyatt, die Cpt. Kirk &. zusammen mit den The More Extended Versions aus Wien aufgenommen haben. Die Angebote, der Mangel und der Bedarf an Klärung bestimmen Round About Wyatt ebenso wie die Veranstaltungen über „Neue Soundtracks“ und die „Schönste Jugend“. Die beiden Gruppen spielen die Stücke von Robert Wyatt, Cypress Hill oder The Specials a.k.a.„in die Zusammenhänge rein“ (Levin), die sich weder die politische Perspektive noch die Diskussion darüber abschminken will.
Wyatts „Age Of Self“ hatten beide Bands im Repertoire als sie sich bei einem Konzert in Österreich begegneten und die Kollaboration verabredeten. Daß Deutsch keine Pflicht und Englisch keine Fluchtsprache meint, wenn es um Inhalte, Kritik oder „politischen Existentialismus“ (Levin) geht, belegt unter anderem die von beiden gespielte Version von Cypress Hills „How He Could Just Kill A Man“. Das Under-Statement der „richtungslosen Melancholie“ gilt einer Fassung von Thelonious Monks „Round Midnight“. Bei dieser aufregenden Musik könnte es vielleicht auch andere Schwierigkeiten geben als bei anderen Platten. Kann sich Faszination einstellen in dem Moment, in dem die Verbindung von Hörer und Hörerin abreißt?
Kristof Schreuf
Cpt. Kirk &/The More Extended Versions, Round About Wyatt, What's So Funny About/INDIGO
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