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Projekte im Würgegriff

■ Zugesagte Mittel von Senat gesperrt / Verschuldung, um die Gehälter zu bezahlen

Die Ruhepause ist um, die Bremer Projekteszene ist wieder im Würgegriff der Verwaltung. Nachdem die Freude bei den Projekten im Dezember groß war, endlich im Haushalt bedacht worden zu sein, stellt die jüngste Sparrunde die freien Träger vor fast unlösbare Aufgaben: Im Vertrauen auf das Geld, was da bald kommen sollte, haben die Projekte Arbeitsverträge abgeschlossen, und nachdem der Senat nun beschlossen hat, bis zur großen Sparrunde am 15. Februar alle Mittel zu sperren, stehen die Projekte jetzt finanziell im Hemd. „Da werden zum Teil Kredite aufgenommen, um die Gehälter zu zahlen“, erzählt Anja Blumenberg vom „Netzwerk Selbsthilfe“ und aus der Verwaltung kommen eher pessimistische Töne. Also hat das Netzwerk und haben einzelne Projekte jetzt Brandbriefe an die politisch Verantwortlichen geschrieben: Sie sollen sich dringend darum kümmern, daß die Hängepartie beendet wird. In der Ampel wird allerdings in Optimismus gemacht: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Projekte dabei draufgehen“, sagte die SPD- Sozialpolitikerin Elke Steinhöfel.

Im Dezember hatte die Bürgerschaft nach langen Wehen den Haushalt verabschiedet, in dem die Unterstützung der Projekte mit 7,8 Millionen Mark veranschlagt war. Endlich, fanden die Aktiven aus dem Jugend-, Gesundheits-, Sozial-, oder Kulturbereich. Sie erhofften sich, nach der Eroberung von Haushaltstiteln nun endlich längerfristiger planen zu können. Bislang hatten sich die Projekte von Jahr zu Jahr und von Fördermaßnahme zu Fördermaßnahme gehangelt. Doch die Freude währte nicht lange. Anfang Januar legte der Finanzsenator seine Rasenmäher-Sparvorschläge auf den Tisch, um das drohende Haushaltsdefizit von 200 Millionen aufzufangen. Der Senat setzte die meisten Entscheidungen bis zum 15. Februar aus, um dann über Schwerpunkte bei Sparen zu entscheiden. Bis dahin aber wurden alle Ausgaben gesperrt, für die es keine rechtliche Verpflichtung gibt oder die zwingend erforderlich sind, um den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten. Für die Projekte hieß das: Geldhahn zu.

Die haben sich gewundert, wo das zugesagte Geld bleibt, haben nachgefragt, in den zuständigen Verwaltungen gab es aber nur Schulterzucken und ernste Minen. Was nach dem 15.2. würde, das sei völlig ungewiß, war unisono die Auskünft aus den Behörden. Und als die Bremer Arbeitsloseninitiative (BAI) nachfragte, wie sie denn das Gehalt des gerade für die Rechtsberatung eingestellten Juristen bezahlen solle, gab die Sachbearbeiterin bei der Sozialsenatorin zur Antwort: Sie müsse dem Projekt sagen, daß der Mitarbeiter am besten gekündigt werden solle. Niemand wisse, wie der Haushalt nach dem 15.2. aussehe. Und so sei die Auskunft in allen Behörden, erzählt Anja Blumenberg: „Alles sehr, sehr wackelig.“

„Es hängt alles vom 15. Februar ab“, sagt Kultursenatorin Helga Trüpel, in deren Ressort einige der Projekte angesiedelt sind. Die Senatorin hofft, daß mit einer neuen politischen Prioritätenliste beim Sparen ein paar Mark für konsumtive Maßnahmen freigeschaufelt werden können. „Für die Grünen sind die Projekte schon immer ein politischer Schwerpunkt gewesen“, sagt sie.

In der Koalition klingt die Prognose schon optimistischer: Wenn es den Projekten an den Kragen ginge, „das wäre sozialpolitisch eine ausgemachte Untat“, sagte Elke Steinhövel von der SPD. „Die sind doch genug stranguliert worden.“ Daß die Projekte jetzt Alarm schlagen, das sei sicher aus deren Sicht berechtigt, aber selbst im engen Sozialhaushalt sei über die Einsparungen durch den Rückgang der Asylbewerberzahlen noch Luft, und wenn die Pflegeversicherung im Bund doch noch kommen sollte sowieso. Und Karoline Linnert von den Grünen, hinter deren breitem sozialpolitischen Kreuz die Projekte in den Haushalt eingezogen waren, weiß sie in der Ampel in politisch trockenen Tüchern: „Die Projekte sind gewünscht und durchgesetzt, und sie werden auch gehalten.“ Jochen Grabler

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