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Farbspiel Schwarz-Grün

■ In Sachsen debattierten Bündnisgrüne eine mögliche Koalition mit der CDU

Leipzig (taz) – Mit einer kräftigen Kopfwäsche begann am Wochenende in Leipzig die Landesdelegiertenkonferenz der sächsischen Bündnisgrünen. Der Vorstand mußte den angestauten Ärger der Parteibasis aushalten, Ärger darüber, daß schon seit Wochen die Gerüchteküche um ein schwarz-grünes Bündnis nach den Landtagswahlen kräftig am Kochen gehalten wird.

Man braucht aber gar nicht im Kaffeesatz zu lesen: Umfragen verheißen den alleinregierenden Christdemokraten einen erneuten Wahlsieg auf der Biedenkopf- Sympathiewelle; und es scheint nur noch die Frage offen, mit wem sie die Regierung stellen. Eine große Koalition mit blassen Sozialdemokraten oder das politische Experiment mit dem selbstbewußten Bündnis; Chancen für Mitgestaltung in einer Zeit, die nach Veränderungen schreit, oder Opposition, bis alles wieder festgefahren ist.

Für das „reizvolle Projekt“ einer schwarz-grünen Landesregierung kann sich deshalb auch Werner Schulz, parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/Grünen im Bundestag, erwärmen. „Es wäre Augenwischerei, zu glauben, mit dieser markant konservativen sächsischen SPD gebe es weitgehende Kongruenz“, gab er in Leipzig zu bedenken. Fraktionschef Klaus Gaber forderte dazu auf, die Diskussion um mögliche Koalitionen zu „enttabuisieren“. Er warnte jedoch auch davor, die abgewirtschaftete CDU mit Farbspielen aufzuwerten: „Die CDU lehnt sich genüßlich zurück und freut sich, wie sie von allen Seiten hofiert wird.“

Landessprecher Heiko Weigel beobachtet mit einiger Verzweiflung den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten, Karl-Heinz Kunckel. „Wenn man in diesem Land wirklich einen Kurswechsel will, muß man der CDU den Marsch blasen. Aber was Kunckel macht, ist nur Pfeifen im Walde. Wir haben keinen Zweifel daran gelassen, daß wir einen Kurswechsel mit der SPD wollen.“

So umstritten die Farbspiele auch seien, Leipzig habe gezeigt, daß der „realpolitischste Landesverband des Ostens“ mit seinen 1.200 Mitgliedern in bester Verfassung ist, stellte der Landessprecher mit unverhohlenem Stolz fest. Vierzig BewerberInnen waren angetreten, einen der Listenplätze zu belegen.

Als unangefochtene Anwärterin auf den ersten Listenplatz galt die aus dem vogtländischen Landshut stammende Agrarexpertin der Fraktion, Kornelia Müller; bis sich überraschend auch ihre Fraktionskollegin Antje Rush um diesen Platz bewarb. Die in umwelt- und regionalpolitischen Fragen engagierte Kornelia Müller zählt zu den Bündnisgrünen, die sich ein Zusammengehen mit Biedenkopf vorstellen können. Bildungsexpertin Antje Rush dagegen steht für prononcierte Kritik an konservativer Schulpolitik und für Konzepte in SPD-Nähe. Im dritten Wahlgang setzte sich jedoch Kornelia Müller durch.

Neben Werner Schulz will sich Antje Rush nun um einen Platz auf der Liste für den Bundestag bewerben. Auf dem zweiten Listenplatz und wiederum erst im dritten Wahlgang behauptete sich Klaus Gaber, Umweltexperte und Fraktionschef.

Eine deutliche Niederlage mußte das parteilose Fraktionsmitglied Michael Arnold einstecken. Ihm erteilten die Delegierten kein Mandat, da er „unglaubwürdig“ sei. Detlef Krell

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