piwik no script img

„Cool ist, wer stirbt“

■ Im Cinema: „Menace II Society“ von den Zwillingen Hughes

Der Filmtitel ist hip (mit dem II für to) und bringt die Story auf den Punkt: sie sind tatsächlich eine Bedrohung für die Gesellschaft, diese jungen Schwarzen, die in Watts, Los Angeles aufwachsen und buchstäblich dafür sterben, cool zu sein. Ein falsches Wort, eine fehlende Demutsgeste und es wird losgeballert; eine Fleischwunde gilt als Zeichen der Männlichkeit.

Von dieser Szene erzählen die noch sehr jungen Zwillinge Allen und Albert Hughes in ihrem Debütfilm, der manchmal schon zu elegant inszeniert ist, und so dem realistischen Anspruch der Filmemacher entgegenläuft. Ein wenig protzen sie mit ihren beachtlichen Talenten, und so gibt es ausgefuchste Kamerabewegungen zu bewundern; dabei ist dies eigentlich einer von den Filmen, bei denen man, wie Howard Hawks sagte, im Idealfall völlig vergißt, daß es da überhaupt eine Kamera gibt.

Denn die brutale Atmosphäre des schwarzen Gettos ist hier so authentisch ins Bild gesetzt, wie in keinem anderen Film des „new black cinema“. Einige scheinbar unvermeidbare Schlüsselszenen (Mann läßt Kind mit Pistole spielen, und darüber ist die Frau entsetzt oder der Patriarch hält den jungen Rebellen im dicken Ledersessel eine Gardinenpredigt) waren ähnlich schon in „Boyz N the Hood“ oder bei Spike Lee zu sehen, aber die Art, wie die Gangmitglieder miteinander umgehen, sich bewegen, sprechen und ihre Männlichkeitsrituale zelebrieren, ist so klar noch nicht gezeigt worden.

Als Mischung aus Fallstudie und Entwicklungsgeschichte konzentriert sich der Film auf einen langen Sommer im Leben von Caine. In einer Rückblende sehen wir, wie er als kleiner Junge Zeuge wurde, als sein Vater einen Mann beim Pokerspielen erschoß, und in den zehn Jahren seither hat sich für ihn nichts geändert. Caine erzählt im Off von seinem Leben und der Unterschied zwischen diesen selbstzweiflerischen Reflektionen und den fast völlig auf Flüche und Protzereien reduzierten Dialogen wirkt fast noch brutaler als die (nie spekulativ inszenierten) Gewaltausbrüche.

Von Anfang an ist Caines Schicksal besiegelt und der Film erzählt seine Geschichte mit der gleichen fatalen Konsequenz, die in den 40er und 50er Jahren Robert Mitchum oder James Cagney so schön sterben ließ. Die Hughes Brothers sind offensichtlich von diesem Filmstil beinflußt (ihr nächster Film heißt „Public Enemies“ also fast wie Cagneys größter Erfolg) und die rein filmische Schlußpointe erinnert an einen Trick von Billy Wilder. „Menace II Society“ ist also „new black film noir“.

Wilfried Hippen

Cinema, täglich 20.45 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen