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Hau mir in die Augen, Kleines

■ Frauenverbindung ohne Mösenbonus: Die Band Die Braut haut ins Auge hat eine Platte gemacht. Mit Sängerin Bernadette Hengst und Bassistin Peta Devlin sprachen Max Dax und Christoph Twickel

Fünf Freundinnen sollt ihr sein? So jedenfalls kündigt die Plattenfirma das Album von Die Braut haut ins Auge an (siehe auch Kasten). Prinzip: Pferdestehlen. Modell: Beatband. Haltung: Du bist schön, auch wenn du aus Bad Salzuflen kommst und dein Bett stinkt. Die vollständige Besetzung: Katja Böhm (dr), Peta Devlin (bg), Karen Denning (kb), Barbara Haß (git, v), Bernadette Hengst (v, git).

taz: Die Braut gibt es ja schon seit einigen Jahren. Daß Ihr erst jetzt Erfolg habt – hat das etwas mit Eurem Status als Mädchenband und mit einer gewissen milden Arroganz zu tun, die Euch am Anfang in der Szene entgegengebracht wurde?

Hengst: Milde Arroganz ist gut. Uns wollte einfach niemand haben, bevor wir ne Platte gemacht haben. Wir hatten vorher mit der Demokassette die ganzen deutschen Labels, die es so gibt, abgeklappert; die haben alle gesagt, das interessiert sie nicht. Wir sind halt keine jungen, zornigen Männer.

Dafür eben junge, zornige Mädchen. Popmusik ist ja immer noch tendenziell eine Männerdomäne. Behindert Euch das?

Hengst: Eigentlich gehen wir ziemlich selbstverständlich damit um, und insofern behindert es uns eigentlich nicht. Die Bemerkung mit den zornigen jungen Männern ist auch nicht so sehr auf Männer bezogen, sondern eher auf eine bestimmte Haltung: intellektuell sein, eine Message haben, zu einem bestimmten Kreis von Leuten gehören, die immer über Musik reden und immer das Richtige wissen. Wir gehören halt nicht zu diesem Kreis, wir sind wahrscheinlich eher die Rock-'n'-Roll-Fraktion.

Mitproduzentin Katrin Achinger soll in den Ausruf „Scheiß Mösenbonus“ ausgebrochen sein, als sie Euch zum ersten Mal vor Jahren hat spielen hören. Ihr konntet damals noch kaum Eure Instrumente stimmen, und trotzdem fanden's alle klasse. Habt Ihr den „Mösenbonus“ heute immer noch?

Hengst: Mittlerweile können wir unsere Instrumente stimmen.

Devlin: Wir besitzen ein Stimmgerät.

Hengst: Das wächst so aneinander. Ich glaube nicht, daß wir diesen Bonus noch haben. Vielleicht beim ersten Eindruck, wenn die Leute ein Foto sehen. Das ist halt so. Aber wenn ich von mir als Publikum ausgehe – wenn da eine Mädchenband ist, und besonders, wenn sie dann auch noch schlecht spielen und Charme haben, finde ich das natürlich lustig und fühle mich damit verbunden. Gestern war jemand auf dem Konzert, der sagte, er hätte erst zwei Mädchenbands in seinem Leben gesehen. Ich fragte, wer denn die erste gewesen sei, und er meinte: Die Liverbirds 1964. Die konnten ja überhaupt nicht spielen. Unsere großen Vorbilder! Wenn sich eine Siebzehnjährige mit einem Instrument, das sie nicht beherrscht, auf die Bühne stellt, das ist halt Punk. Männer kaufen sich mit 15 eine E- Gitarre, setzen sich zu Hause hin und spielen erstmal sämtliche Jimi- Hendrix-Riffs nach. Und das können sie dann auch perfekt. Die gehen meistens von einem anderen Status aus.

Seid Ihr stolz, daß Ihr im Endeffekt bei der sogenannten Industrie einen deutlich besseren Plattenvertrag bekommen habt als viele „zornige junge Männer“?

Hengst: Nein, mit Stolz hat das überhaupt nichts zu tun. Die Entscheidung wurde uns ja quasi abgenommen. Natürlich hätten wir es noch mal versuchen können, zu einer Independent-Firma zu gehen. Wir hätten die Platte auch allein mit unserem Produzenten herausbringen können. Vielleicht haben wir ja auch in einem halben Jahr Grund, uns dafür zu schämen, vielleicht haben wir dann auch Grund, wirklich stolz darauf zu sein, weil sie gut für uns gearbeitet haben. Was uns zur Zeit viel im Kopf rumgeht ist die Tatsache, daß die Platten von Majors einfach teurer sind. Wenn unsere CD bei WOM rumsteht, kostet sie wahrscheinlich 35 Mark. Ich habe keine 35 Mark für eine CD, und ich glaube auch nicht, daß der Großteil unserer Fans die hat. Aber da können wir fast nichts gegen machen.

Vielleicht kann man Euch da auf eine Ebene mit einer Band wie den Lassie Singers aus Berlin stellen. Eine Band, die sehr viel Öffentlichkeit hatte, überall restlos ausverkaufte Konzerte vor einem begeisterten Publikum gegeben hat und trotzdem nur 5.000 Platten verkauft hat.

Hengst: Naja, 5.000 Platten, für eine Indie-Firma ist das unglaublich viel, für eine große Firma ist es nichts, ein Flop, das ist ja das Ding. Man weiß ja auch, daß es so ist. Man braucht ja bloß das Radio einzustellen. Das, was da an Deutschsprachigem läuft, ist halt superaalglatt. Da kann man sich eigentlich an zehn Fingern ausrechnen, daß das nicht im Radio gespielt wird. Außer man hat Glück. Als wir jetzt in Köln waren, haben sie zweimal „Ficken“ im Radio gespielt, WDR2, ist das nicht unglaublich?

Hättet Ihr denn mitgemacht, wenn Euer Produzent Euch glatter und popmäßiger hätte klingen lassen wollen?

Devlin: Nee, hätten wir nicht.

Hengst: Wir haben auch echt Glück gehabt mit unserem Produzenten, weil er sehr vorsichtig ist mit uns. Er wollte unserem Charakter entsprechend vorgehen.

Also, Ihr glaubt nicht, daß Ihr Stars werdet?

Hengst: Das ist nicht gesagt. Ich glaube halt nicht, daß diese Zeit jetzt gerade für schräge Sachen offen ist. Die Leute wollen Techno hören. Und die Aufbereitung von allen möglichen Musikepochen. Und das in einer Form, die sie nachvollziehen können. Diese Hippie-Modebewegung, das hat ja überhaupt keine Bedeutung mehr, das sind ja nur formelle Dinge, es geht ja nur darum, gut auszusehen, dazuzugehören.

Da fällt mir eine Zeile aus einem Eurer Songs ein: „Es ist so leicht, auf der richtigen Seite zu stehn.“

Hengst: Das ist eigentlich genau das. Es ist leicht, auf der richtigen Seite zu stehen, also mit 16 eine Peace-Kette um den Hals zu tragen und zu sagen: „Ich bin für Frieden.“ Aber wofür das Mädchen dann ist, das weiß sie dann auch nicht. Es ist schwierig, eine Position zu finden, die Boden unter den Füßen hat. Alle sagen: „Ich bin gegen Krieg, ich bin gegen Nazis, ich bin gegen Tierversuche, ich bin gegen Umweltverschmutzung“, aber das bleibt alles an der Oberfläche. Es gibt kein revolutionäres Gefühl: „Jetzt machen wir genau das Richtige.“

Das heißt, die Sachen, die mal mit einem politischen Engagement verbunden waren, werden zur Phrase. Andererseits habt Ihr als Motto Eurer Platte einen Satz von Rosa Luxemburg gewählt: „Es Die Band Die Braut haut ins Auge hat eine Platte gemacht. Mit Bassistin Peta Devlin sprachen Max Dax und Christoph Twickel

ist die revolutionärste Tat, stets das laut zu sagen, was ist.“ Macht Ihr das?

Hengst: Ja. In unserem Rahmen ja. Erstmal sind wir ja alle Privatmenschen, in erster Linie. Wir sind nicht in einer politischen Organisation oder sonstwas, darum geht's auch nicht, es geht ums Alltägliche. Es geht darum, daß man als Band bei Auftritten oder in Interviews Stellung bezieht.

Viele deutsche Bands – von Udo Lindenberg über die Toten Hosen bis hin zu den Krupps oder Mastino – haben Songs gegen Ausländerfeindlichkeit gemacht. Ihr nicht...

Devlin: Mußten wir ja auch nicht. Ich bin doch Ausländerin.

Hengst: Davor hatten wir eine Französin am Baß, also wir sind schon sehr ausländerfreundlich.

EG-freundlich!

Hengst: Nein. Moment, unsere Keyboarderin ist Halb-Amerikanerin, und ich bin slawischen Ursprungs, das sieht man an den hohen Wangenknochen. Ach, und außerdem ist das doch peinlich, wenn jetzt jeder meint, er müssen seinen Senf dazugeben. Und die meisten Lieder sind echt so aufgesetzt pathetisch. Es ist sowieso schwierig, ein gutes politisches Lied zu machen, weil, sobald da ein Mitgröl-Refrain entsteht, wird es irgendwie eklig. Ich mag das nicht.

Seid Ihr ein wenig enttäuscht darüber, daß es mit dem Erfolg so lange gedauert hat?

Hengst: Nein, wir haben uns eben miteinander entwickelt. Auch was unsere musikalischen Einflüsse angeht. Jetzt allmählich entdecken wir nun Country – mit Peta –, vorher haben wir Rock 'n' Roll entdeckt – mit Barbara –, dann haben wir Soul entdeckt – mit Karin –, und dann hab ich den Mädels gezeigt, was deutscher Schlager ist. Eine unserer Lieblingsbands sind deswegen auch FSK. Das ist ja auch so eine Band, die innerhalb von zehn Jahren total gewachsen ist. In Würde älter werden, darum geht es.

Habt Ihr das Gefühl, daß dieses Ex-und-Hopp-Phänomen grassiert – kurz gehypt und dann wieder weg vom Fenster?

Devlin: Das ist schon typisch, aber natürlich nicht nur in Hamburg. Nimm Blumfeld: Ein Jahr lang wurden sie total gepusht, und jetzt passiert überhaupt nichts mehr. Das hat eben auch etwas mit der Art, jemanden darzustellen zu tun. Wenn im Spex dann steht: „Die beste Platte seit...“, und das steht dann wieder jeden Monat über eine andere drin. Das nervt einfach, dieser Stil. Da kann man doch stolz sein, wenn man an die Wand genagelt wird und gesagt wird: „Das ist unglaubliche Scheiße, was die machen.“

Verarbeitet das Lied „Warum ich so laut singen kann“ Bernadettes Kindheit?

Hengst: Ja, das ist meine Kindheit! Ich habe zwar keine Schwester und keinen Bruder, aber genau so war es. Das heißt, eigentlich wollte ich Schauspielerin werden, aber das kann man in einem Rocksong schlecht darstellen.

Und warum bist Du's nicht geworden?

Hengst: Ach, weil Theater tot ist. Ich hab in Berlin in einer Theatergruppe gespielt, da haben wir so absurde Sachen gemacht, das hat mir schon gefallen. Wir haben versucht, was ganz anderes als das klassische Theater zu machen, aber das hatte überhaupt keinen Erfolg, überhaupt null.

Devlin: Das hat sicher auch was mit dem sogenannten „Mediendruck“ zu tun. Kino stirbt ja auch langsam aus, wegen Video.

Hengst: Mit diesem schnellen, hektischen Zeug können wir eigentlich nicht so viel anfangen. Wenn wir ein Video von der Braut machen würden, ginge es hauptsächlich um eine gute Geschichte. Das finde ich besser als hier einen Arm, da ein tolles Bein und dort die Titten. Das ist glaube ich nichts für uns.

Eure Platte kommt zu einer Zeit heraus, wo viele Leute den Boden unter den Füßen verloren haben...

Hengst: Ich stelle ja in den Texten auch ständig den Zweifel dar. Es ist ja eine jugendliche Platte über Zweifel. Wo gehe ich hin, rechts oder links oder geradeaus oder rückwärts. So sind die meisten Songs. Es ist immer der Widerspruch, irgenwann kommt immer der Punkt, wo es sich dann umdreht. Wir spielen halt so bodenständige Rock-'n'-Roll-Country- Soul-Schlager-Mucke. Und das hat schon was mit der Zeit zu tun, zu Werten zurückzukommen, sich auf etwas zu besinnen.

Die erste Platte der Lassie Singers hieß „Die Lassie Singers helfen Dir“. Ihr vertont ja auch so alltägliche Junge-Mädchen-Geschichten. Lassen sich die Leute von Euch helfen? Ist Euch die Greifbarkeit Eurer Musik wichtig?

Devlin: Die Leute erkennen manchmal Sachen wieder. Wenn du etwas darstellst, was bodenständig ist in dem Sinne, daß es jedem passieren kann, dann reagieren die Leute eben so darauf, daß sie sagen: „Oh mein Gott, ja, genau so ist es.“ Bei manchen Stücken denkt man auch an die Zeit mit 15 zurück, wo Fragen wie „Tu es, laß es?“ brennend wichtig waren.

Aber der Witz liegt doch eigentlich darin, daß bei Euch die Naivität dieser Teenie-Klischees dazu benutzt wird, wirklich existierende Beziehungsklischees aufs Korn zu nehmen. Zum Beispiel in „Der langweiligste Junge der Welt“, wo sich ein Mädchen einen Langweiler zum Mann wünscht, weil es die Typen nicht mehr sehen kann, die immer dadurch beeindrucken wollen, daß sie über Kafka reden und dadaistische Bilder kennen.

Hengst: Klar. Wir sind ja auch keine 15 mehr.

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