piwik no script img

Bremer Schloß für Lau verpachtet

■ Rechnungshof: 10 Millionen Mark verschenkt / Vertrag mit Drogenhilfe nicht zu ändern

Bremen verscherbelt das Tafelsilber, derweil schmeißt das Land das Geld mit vollen Händen zum Fenster raus. Das sagt der Rechnungshof. Der ist nämlich auf einen ziemlich unglaublichen Fall gestoßen: Bremen besitzt ein Schloß mit einem Traumgrundstück drumrum, und weil die Stadt nichts damit anzufangen wußte und sich auch kein Käufer meldete, wurde das Schloß verpachtet, gleich auf 35 Jahre. Geschätzter Pachtzins heute: Mindestens 427.000 Mark im Jahr. Nur hat das Land einen Vertrag unterschrieben, in dem es auf jede Pacht ausdrücklich verzichtet. Dumm. Noch dümmer: Im Vertrag sucht man vergebens nach einer Klausel für eine Kündigung oder Änderung. Dadurch sind dem Land bis heute rund 10 Millionen Mark durch die Lappen gegangen, haben Bremens oberste Rechnungsprüfer herausgefunden, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Geschichte beginnt im Jahr 1981. Damals unterzeichnete der Verein Drogenhilfe Bremen einen Pachtvertrag für ein bremisches Sahnestück: Hohehorst, ein Schloß bei Löhningen im Landesbesitz. Satte 3362 Quadratmeter Wohnfläche und drumrum ein Grundstück von gut 20 Hektar. Das Haus hatte eine bewegte Geschichte hinter sich, zuletzt war es Lungensanatorium, hatte aber schon einige Zeit leergestanden. Und der Leerstand kostete, und das Haus gammelte vor sich hin, bis die Drogenhilfe kam. Die suchte Räume für eine Therapieeinrichtung. Die Therapie, die zahlte damals nur das Sozialamt, also die Landeskasse. In den Pflegesätzen aller Therapieeinrichtungen ging selbstverständlich die Miete mit ein. Also sagte sich der Gesundheitssenator: Was soll ich mir selbst in die Tasche greifen, wenn ich sowieso zahlen muß, dann kann ich auch auf Miete verzichten. So kam es zu dem ominösen Vertrag, in dem das Land auf Pachtzins verzichtete. Das Schloß ging in Erbpacht auf 35 Jahre an die Drogenhilfe – für Lau. Und was im Vertrag völlig fehlte, war eine Änderungsklauseloder die Regelung einer Kündigung. Schließlich hatte die Drogenhilfe auf Erbpacht bestanden, weil sie das Gebäude beleihen können wollte.

Dieser Vertragsabschluß sollte sich schon recht schnell rächen, denn kaum anderthalb Jahre nach der Unterschrift änderte sich der Abrechnungsmodus für Therapien: Jetzt bezahlten die Krankenkassenoder die Rentenversicherung. Und Bremen war gekniffen, denn die neuen Geldgeber bezahlten bei jeder Einrichtung die Miete, bzw Pacht selbstverständlich mit, nur nicht in Hohehorst, wo rund 50 Plätze angeboten wurden, eine relativ große Einrichtung. Und Hohehorst konnte damit billiger sein, als andere Therapieeinrichtungen, was der Auslastung durchaus förderlich war. Noch dazu hatte die Drogenhilfe die Stadt voll im Griff: Vertrag ist schließlich Vertrag.

1987 geriet Hohehorst ins Trudeln, es hatte sich reichlich Konfliktstoff angesammelt, sogar von Konkurs war die Rede. Das war die Zeit, als sich der Rechnungshof zum erstenmal mit der Einrichtung befaßte: Der bat den Sozialsenator, doch bitte eingehend zu prüfen, ob diese große Einrichtung sinnvoll sei oder ob nicht kleinere Einheiten richtiger wären.

Das Gebäude samt Gelände wurde damals auf einen Verkehrswert von rund sieben Millionen Mark geschätzt. Die Drogenhilfe wurde aber stabilisiert, auf die 50 Therapieplätze könne man nicht verzichten, hatte es geheißen. 1989 setzte der Rechnungshof noch einmal nach: Die Berhörde solle der Drogenhilfe andere Objekte anbieten und versuchen, aus dem Knebelvertrag herauszukommen. Mittlerweile sponserte das Land über den Verzicht auf Pacht eine Einrichtung, die nur noch zur Hälfte mit Bremer Abhängigen belegt war. Doch Hohehorst schaltete auf Stur. Noch nicht einmal ein bißchen Pacht wollte die Therapieeinrichtung zahlen, berichtet Sozialstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack.

Kein Pachtzins und noch nicht einmal die Möglichkeit, das Schloß zu verkaufen – dem Rechnungshof platzte der Kragen, Hohehorst kam in den Rechnungshofbericht, der im Oktober letzten Jahres erschienen ist. Und am letzten Donnerstag beschäftigte sich der Rechnungsprüfungsausschuß der Bürgerschaft mit dem Fall. Die Verantwortung geht wie ein Pingpongball hin und her. Hoppoensack: „Jetzt wird einer gesucht, der der Doofe ist.“

Er sei es auf keinen Fall. „Schließlich hat das Liegenschaftsamt den Vertrag unterschrieben“, und das heißt der Finanzsenator ist doof. Die Drogenhilfe habe sich bislang erfolgreich sperren können, das Land habe keine Alternative, und schließlich: warum solle man die rausschmeißen, Käufer gebe es immer noch nicht. „Falsch“, sagt dazu Jürgen Hartwig, Referent des Finanzsenators. Er habe im Spätsommer letzten Jahres einen Interessenten zum Sozialressort weitergeschickt, der der Drogenhilfe sogar Alternativobjekte anzubieten hatte. Daß das Liegenschaftsamt den Vertrag damals unterzeichnet hat, das stimme zwar, „aber die Inhalte werden immer vom Bedarfsressort definiert.“ Und das ist Soziales.

Der Interessent ist beim Sozialressort nicht angekommen, zumindest nicht beim Staatsrat Hoppensack. Aber es gibt Hoffnung auf ein Ende der Geschichte: Der Vertrag endet im Jahr 2016.

Jochen Grabler

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen