: Bushs Dreckschleuder im Dienste der Demokratie
■ Costa Rica wählt morgen einen neuen Präsidenten / Alle wollen weniger Armut
Managua (taz) – Zwischen einem Mörder und einem Wirtschaftsgangster können sich die Costaricaner am Sonntag entscheiden, wenn man den beiden Spitzenkandidaten glauben darf, die ihrem jeweiligen Gegner in den Wahlkampfansprachen nichts schuldig bleiben. Unmittelbar vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen versprechen die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Sozialdemokraten Jose Maria Figueres und dem Christdemokraten Miguel Angel Rodriguez.
Zwischen dem politisch aufgepeitschten Nicaragua und dem permanenten Krisenherd Panama liegt Costa Rica wie eine Insel fast europäischer Normalität, wo Wahlkämpfe das Volk zwar wochenlang in zwei parteifähnchenschwenkende Fraktionen spalten, nach den Wahlen aber schnell wieder der Friede einkehrt. Die Costaricaner lieben es, wenn ihr Land als die Schweiz Mittelamerikas betitelt wird, wo die demokratischen Strukturen gefestigt sind und sozialer Friede herrscht. Doch das intensive Werben um die Stimmen der Armen verrät, daß sich auch Costa Rica nicht den Problemen der zentralamerikanischen Region entziehen kann.
Gutscheine für Sozialwohnungen, Lebensmittelcoupons und das Versprechen, „wilde“ Parzellen in den Armenvierteln zu legalisieren, gehören zu den Wahlschlagern einer Kampagne, in die jede Partei mehr als zehn Millionen Dollar investiert hat. Mit der Parole „Man soll das Pferd nicht mitten im Strom wechseln“ empfiehlt sich der 54jährige Rinderzüchter, Unternehmer und Wirtschaftsprofessor Miguel Angel Rodriguez, der den neoliberalen Kurs seines Parteigenossen Rafael Angel Calderon unverändert fortsetzen will. Der Unternehmer und Ingenieur Figueres zieht dagegen mit der Parole „Menschliche Solidarität“ zu Felde. Er will den Sozialetat von den Einsparungen im öffentlichen Sektor ausnehmen und Banken, Versicherungen, Energie und Telekommunikation, die in Costa Rica traditionell vom Staat dominiert werden, von der Privatisierung aussparen.
Die Christdemokraten verweisen zwar stolz darauf, daß unter Calderon die Wirtschaft unaufhaltsam gewachsen ist – zuletzt um 5,6 Prozent – und die Arbeitslosenquote auf sensationelle vier Prozent gedrückt wurde. Doch ist gleichzeitig die Kaufkraft der Lohnempfänger geschrumpft, und die öffentliche Gesundheitsversorgung – einst der Stolz des Landes – steckt in der Krise.
Der Sozialstaat Costa Rica, der die Armee abschaffte und die Schwerter gegen Schulbücher eintauschte, ist untrennbar mit dem Namen Jose Figueres verbunden. Der Vater des jetzigen Kandidaten regierte drei Amtsperioden lang, bevor eine Verfassungsänderung in den 70er Jahren die Wiederwahl ausschloß. Mit dem Prestige des vor wenigen Jahren verstorbenen „Don Pepe“ und seiner physischen Ähnlichkeit operierte jetzt Jose Maria Figueres schon im parteiinternen Vorwahlkampf. Aber im härtesten Wahlkampf der jüngeren Geschichte Costa Ricas wird jede Schwäche des Gegners erbarmungslos ausgeschlachtet. Dafür sorgt schon Roger Ailles, einst Wahlkampfmanager von George Bush, den Rodriguez unter Vertrag genommen hat. Ailles ist ein Experte für Schmuddelkampagnen, der 1988 den demokratischen US-Kandidaten Michael Dukakis unmöglich machte und 1992 die Bettgeschichten Bill Clintons hochspielte. Und Figueres ist äußerst verwundbar: So hat er bis heute nicht den Vorwurf ausräumen können, als Zivilgardeangehöriger im Jahre 1971, während der letzten Amtszeit seines Vaters, am Mord an einem Marihuana- Dealer beteiligt gewesen zu sein. Doch auch der Christdemokrat Rodriguez hat ein paar Flecken auf seinem weißen Unternehmerkragen. So wurde er überführt, Rindfleisch illegal in die USA exportiert zu haben. Ralf Leonhard
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