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Zuständig für Katastrophen

Gesichter der Großstadt: Frank Georgi träumt von einem DDR-Vergnügungspark / Es gibt kaum einen Job, den der Geburts-Ossi noch nicht angetestet hat  ■ Von Barbara Bollwahn

Es gibt Ideen, die werden im Suff geboren. Aber nicht alle halten einer nüchternen Betrachtung stand. Anders bei Frank Georgi. Vor gut einem Jahr stellte er sich „nach einer Sause“ vor, wie die Leute reagieren würden, wenn Statisten in russischen Uniformen mit Schubkarren durch Berlin fahren und die Mauer wieder aufbauen würden. In jener Nacht entstand die Idee zum „DDR-Disneyland“ (die taz berichtete).

Der Zufall spielt im Leben des 28jährigen eine nicht unbedeutende Rolle. Als er sich in der Phase der Entwickelten Sozialistischen Gesellschaft im brandenburgischen Ruhlsdorf, wo seine Freundin damals lebte, als Heizer in einer Jugendherberge bewarb, wurde ihm die Stelle des Animateurs angeboten. Georgi wollte schon immer als Manager arbeiten und sagte sofort zu. Fortan kümmerte er sich um Reisegruppen und organisierte Kulturprogramme. „Ich bin kein Kaufmann“, gibt er unumwunden zu, „ich bin eher zuständig für Katastrophen und dafür da, die Leute zu begeistern.“

Kurze Zeit später avancierte der Schlagzeug,- Gitarren- und Klavierspieler zum Kulturhausleiter im benachbarten Klosterfelde. In Scharen strömten die Leute in das Kulturhaus-Kino des kleinen Dorfes, um Filme wie „E.T.“ oder „Dirty Dancing“ zu sehen. Schon zu DDR-Zeiten wußte Georgi genau, wie man Geschäfte macht. Mit einer Kiste Negerküsse für die Damen und Herren der Kreisfilmstelle zog er Filme an Land, die normalerweise den großen Programmkinos vorbehalten waren. Gewußt wie.

Aber nicht immer konnte Georgi seine Ideen mit „Bückware“ (die unterm Ladentisch verschoben wurde; Anm. d. Ost-Autorin) umsetzen. Gut ein Jahr vor dem Mauerfall hatte er mit der Planung für ein großes Open-air-Konzert begonnen, das 1990 stattfinden sollte. Statt den Erlös der Aufrechterhaltung des maroden Staates zur Verfügung zu stellen, wollte er die Einnahmen einer Behindertenschule spenden.

Die sozialistische Führungsriege hatte zwar nichts gegen das soziale Engagement Georgis, wohl aber dagegen, daß die Kinder des Sozialismus von der Kirche aus dem feindlichen Westen unterstützt wurden. Das Konzert fand nie statt. Der Tierfreund trennte sich von seinen Riesenschlangen, den Frettchen und Mardern, der Elster, den Pferden und dem Ziegenbock. Und ging ab in den Westen.

Auf dem Bahnhof in Gießen – Zufall-West – wartete ein Mann, um aus der Menschenmenge auf dem Weg zum Aufnahmelager gute Schlosser herauszufischen. Über seinen damaligen Chef, bei dem er auch wohnen konnte, kann Georgi heute nur den Kopf schütteln: „Der kommt nie auf einen grünen Zweig, viel zu gutmütig.“ Nach neun Monaten hatte er die Nase voll von den „Katholiken, die Dreck am Stecken haben und sonntags in die Kirche rennen“. Obwohl er von sich sagt, mit jedem klarzukommen, ging er nach Berlin und fing bei einer Heizungsfirma an. Nebenbei organisierte der ehemalige Countrymusik-Fan mit seiner „Frankies Country Promotion“ ein Truckerfestival, das seit zwei Jahren zu Pfingsten in Biesenthal stattfindet. „Ich brauche den Streß“, erklärt Georgi seine Begeisterung für mehrere Projekte gleichzeitig.

Ende letzten Jahres revoltierte Georgis Magen gegen seine unregelmäßigen Eßgewohnheiten und den Streß. Der Magen brach durch, Tausendsassa Georgi kam ins Krankenhaus. Ob Zufall oder nicht, Georgi hatte noch einmal Glück. Die letzten Monate vor seinem ersten Arbeitstag als Manager bei der Firma, die den „Ossi-Park“ finanziert, hatte er keine Beiträge für die Krankenversicherung gezahlt. Sein Magen brach just an dem Tag durch, als er bei „der gut besattelten Firma“ einstieg, die das 350 Millionen Mark teure Projekt finanziert.

Über die eigene Unzufriedenheit, nicht mehr sein eigener Herr zu sein, tröstet ihn die „hundertprozentige“ Gewißheit, noch dieses Jahr mit der Verwirklichung seiner Delirium-Idee anzufangen. Und daß die ein Erfolg wird, davon ist er überzeugt. Auch davon, daß er „immer Mensch bleiben“ wird, „auch wenn ich mal Millionen verdiene“. Ob Georgi im Gegensatz zu seinem ehemaligen West-Chef den Sprung auf den „grünen Zweig“ schafft? Wer weiß das schon. Georgi über Georgi: „Ich bin viel zu gutmütig.“

Aus dem ehemaligen Country- Fan ist inzwischen ein Phil-Collins- Anhänger geworden. Dessen Musik paßt auch besser zu seinem neuen Job. Seit November hetzt er im eleganten Anzug von einem Termin zum nächsten. „Wenn ich einen Schlips umhabe, rede ich gleich ganz anders“, sagt er grinsend. Eine Hand am Steuer, in der anderen das Autotelefon, zwischendurch ein Griff auf die Rückbank und immer ein Blick auf die Uhr – seinen Vorsatz, „ruhiger zu werden, um nicht mit dreißig einen Herzinfarkt zu haben“, scheint er hinterm Steuer des Jaguar zu vergessen. „Das ist ein Firmenwagen“, glaubt er sich für die Nobelkarosse entschuldigen zu müssen. Daß der Diamant des Goldringes beim Abwischen der Scheibe das Glas zerkratzt, ist ihm ziemlich egal. Er sagt: „Das ist nur was fürs Image. Seitdem ich über Nacht zum Medienstar geworden bin, kann ich doch nicht wie ein Penner rumlaufen.“

Bis auf einen Kurztrip nach Luxemburg in Sachen Aktien hat Georgi noch nicht viel von der weiten Welt gesehen. Dafür interessieren sich Reporter aus aller Herren Länder für seinen „Ossi-Park“. Er ist ehrgeizig, denn „sonst hätte ich mich längst aufgegeben“. Und er ist sich sicher, „alle Seiten des Lebens zu kennen“. Erzählt er von den vielen Schulden des ersten Trucker-Festivals und wie er geheult und geglaubt hat, „die nie wieder wegzukriegen“, möchte man dem 28jährigen Manager glauben. Er ist stolz, das alles „durchgezogen“ zu haben. „Ich bin ein Stehaufmännchen“, sagt er. Und grinst dabei.

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