: Unterm Strich
Schade eigentlich, daß wir unser Abitur bereits vor Urzeiten an einem altsprachlichen Gymnasium in Rheinland-Pfalz absolviert haben. Hätten wir es vielmehr nach 1984 in der Frankfurter Goetheschule im schönen Bundesland Hessen gemacht, dann hätten wir an einem Modellversuch teilnehmen können – und könnten heute statt kein Latein wenigstens ein bißchen Japanisch. Nach sechs Jahren wurden dort nämlich jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen, Japanisch als 4. Abiturfach in einen bundesweiten Rahmenplan aufzunehmen. Kultusminister Holzapfel wies darauf hin, daß in Frankfurt nach Düsseldorf die meisten JapanerInnen in Deutschland leben. Und er „hob ausdrücklich hervor“, daß Japanisch besondere Anforderungen stellt, da an nichts „Vertrautes angeknüpft werden kann“. Und wie ist das mit Altgriechisch, he? Wir fühlen uns ein klein wenig düpiert.
Tröstung naht. Der Komponist Heiner Goebbels (der sein Abitur übrigens auch in Rheinland-Pfalz gemacht hat, na also) hat vor einiger Zeit den Proust- Fragebogen des FAZ-Magazins ausgefüllt. Und wer, glauben Sie, sind wohl seine allerallerliebsten „Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit“? Na? Sie kommen nicht drauf? Das düpiert uns ja fast schon wieder! Wir sind das! Wir, wir, wir! Die tapferen kleinen tazlerInnen! Jawohl. Das ist ziemlich nett und tut ziemlich wohl.
Die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren ist am vergangenen Donnerstag in München mit dem Videopreis 1994 ausgezeichnet worden. Das versteht man natürlich nur, wenn man sich vergegenwärtigt, daß – Laudatio, Laudatio – „nur wenige Stoffe der Weltliteratur in ihrer filmischen Umsetzung eine so herausragende Bedeutung erlangt haben“. Stimmt, haben wir alles gesehen. Aber hat uns olle Inger Nilsson unseren eigenen Pippi-Film im Kopf nicht irgendwie zerkrumpelt? Und wer kommt schon an Lasse, Olle, Kalle oder Lisa wirklich ran? Frau Lindgren sieht das jedenfalls auch so und empfiehlt allen Kindern weiterhin Lesen statt Glotzen. Muß sie ja auch.
Unter dem Titel „Porträt eines produktiven Unfalls – Adolf Wölfli“, annonciert uns dpa, ist bei Stroemfeld/Nexus ein Band über den geisteskranken Maler und Schriftsteller (1864 bis 1930) erschienen. So weit ist noch alles klar. Denn „die Kunst von Geisteskranken ist ebenso wie die von Naturvölkern für die Moderne anregend gewesen“. Geht auch noch. Aber: „Der an Verfolgungswahn leidende Handlanger, der wegen Notzuchtversuchen mehrfach inhaftiert und von 1895 bis zu seinem Tode in der Berner Irrenanstalt Waldau festgehalten wurde...“ usw.? 1. Frage: Was muß man sich in einem paranoiden Zusammenhang unter einem „Handlanger“ vorstellen? 2. Frage: Ist der Begriff „Notzucht“ eigentlich noch zeitgemäß? Wohlbegründete Antworten bitte bis Ende der Woche ebenfalls zu unseren Händen.
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