: Überseehafen schließen
■ Wedemeier macht die Häfenpolitik zur Chefsache
In der Hafenpolitik „hat sich was festgefahren, das ist wie Bronchitis“, findet Bürgermeister Wedemeier. Und deshalb will er sich einmischen; bis zum 19. April soll das neue „Hafenstrukturkonzept“ stehen, und zwar unter Einbeziehung der Kammern und Verbände. „Da muß ein Konsens erzielt werden.“
Die Kritik geht vor allem an das bisher zuständige Hafenressort, das seit über einem Jahr an einem derartigen Konzept bastelt und den Konsens nicht zustande gebracht hat. Nicht nur die von den Koalitionspartnern geführten Ressorts Wirtschaft (FDP) und Stadtentwicklung (Grüne) finden die Arbeit ihres SPD-Kollegen Beckmeyer völlig unzureichend, das Häfenressort hat es auch geschafft, die Kammern und Verbände zu vergrätzen: Sie wurden im Herbst 1993 um ihre Stellungnahme zu dem ersten Entwurf des Häfenkonzeptes gebeten, erhielten aber darauf keine Antwort. Die Handelskammer etwa schickte ihr Papier am 15.9.1993 ab – „wir haben bis heute nicht einmal eine Eingangsbestätigung“, sagt Dr. Andreas Otto, Geschäftsführer der Handelskammer.
Betroffenen Unternehmensverbänden wie dem Spediteursverein oder dem Verband der Umschlagsbetriebe ging es mit ihren Stellungnahmen genauso. Aus der Zeitung erfuhr die bremische Wirtschaft dann, daß es eine überarbeitete Fassung geben soll, die Beckmeyer im Senat absegnen lassen wollte - was am Widerstand der Grünen- und FDP-Senatoren scheiterte. Ob die Kritik der Handelskammer Berücksichigung fand oder nicht, weiß deshalb ihr Geschäftsführer Otto nicht. In der Tendenz waren sich die Kritiker aus den verschiedenen Richtungen aber einig: Die Prognosen waren völlig überzogen, die Investitionsvorhaben nicht mit Kosten/Nutzen-Überlegungen begründet. Es sei ein „reines Flächenkonzept“ nach dem Motto: „Wir wollen alles“, sagt Dr. Otto. Das selbe hätte Fücks sagen können.
Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, daß Wedemeier das Thema an sich zieht und ein Verfahren fordert, das geeignet ist, den Streit schnell mit einem tragfähigen Konsens zu beenden. Wedemeier teilte in einem Hintergrundgespräch gleich mit, wie eine Entscheidung aussehen könnte: „Man kann nicht mehr alles aufrechterhalten, nur weil es Hafen ist.“ Der Überseehafen (Umsatzrückgang von 1,9 Mio Tonnen (1980) auf 345.000 Tonnen (1992) soll ganz zugeschüttet werden, um Fächen zu gewinnen für Lagerei und auch hafenähnliches Gewerbe. Dafür solle der Europahafen aufrechterhalten werden, um der dort ansässigen Genußmittelindustrie für zukünftige Entwicklungen Raum zu erhalten. Sogar die Entscheidung, den Fruchtumschlag dort zu konzentrieren, müsse im Lichte der neueren Entwicklung überdacht werden – „besser geht es doch wirklich nicht für Herrn Schopf“. Der Stadtentwicklungssenator bekommt dafür Flächen, „auf denen bisher ein anderer gesessen hat“: Der Hohentorshafen wird zugeschüttet, dort entstehen auch Wohnbauflächen am Wasser.
Diesen Schlüssel zum neuen politischen Kompromiß hatte Wedemeier in der Senatssitzung überraschend auf den Tisch gelegt und gegen den Häfensenator durchgesetzt. So war es konsequent, daß Wedemeier sein Häfen-Konzept vor Journalisten ohne den eigentlich zuständigen Häfensenator Beckmeyer ausbreitete. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen