■ Die Pflegeversicherung nach zwanzig Jahren Diskussion
: Keiner will mehr

Einer hofft immer noch: der Arbeitsminister. Und hat er nicht recht? Es fehlen doch wirklich nur „die berühmten zwei Zentimeter bis zum Ziel“.

Leider nur: sie fehlten den Unterhändlern zum wiederholten Male. Immer wieder finden sich in den Verhandlungspausen böse Buben, die ritzeratze, voller Tücke, eine Lücke in die Brücke sägen. Rechtzeitig vor der dieswöchigen Verhandlungsrunde entdeckte die CSU ihr Grundsatzbekenntnis zu jedem einzelnen bayerischen Feiertag wieder. Mit der verläßlichen und vermutlich kalkulierten Folge, daß die SPD einmal mehr lautstark darauf pochte, daß für sie wiederum die Tarifautonomie ein unverletztliches Essential sei.

Wenn sich die Beteiligten nach zwanzig Jahren Diskussion und zwei Zentimeter vor dem Ziel unvereinbare Grundsätze um die Ohren schlagen, dann heißt das eigentlich nur: An eine Einigung glaubt niemand mehr. Sogar das in solchen Fällen unvermeidliche Schwarze-Peter-Spiel wird diesmal erstaunlich halbherzig betrieben. Scheitert die Pflegeversicherung, dann wäre der Vertrauensverlust beträchtlich, jedenfalls für die beiden großen Parteien. Wer mehr, wer weniger Schuld daran hat, ist in den Augen der Wähler zweitrangig gegenüber der Feststellung: Die bringen einfach nichts zuwege.

Deshalb haben Union und SPD eigentlich ein massives Interesse am Kompromiß. Wenn er trotzdem immer unwahrscheinlicher wird, dann hat das mit der Sache selbst zu tun. Sichtet man nach den endlosen Verhandlungen und den ernsthaften Bemühungen der letzten Monate das mögliche Ergebnis einer Einigung, dann kommt man unweigerlich auf den Verdacht: Keiner will mehr.

Die FDP hat ohnehin nur aus Koalitionsraison mitgemacht und gegen ihre Überzeugung. Sie will den entschlossenen Einstieg in Eigenverantwortung und -vorsorge statt einer weiteren Sozialleistung und kann damit auch die Wahlen gut bestreiten. Nach jeweils langen Diskussionen haben sich die beiden Volksparteien auf das Modell der klassischen Solidarversicherung festgelegt. Aber mit einem kleinen Schwindel: Zwar wird die Absicherung des Pflegerisikos an das Arbeitsverhältnis geknüpft, doch die Arbeitskosten sollen nicht zusätzlich belastet werden. Eben daran, am heiklen Thema Kompensation, verhaken sich die Verhandlungen immer wieder. Es zeichnen sich nur Lösungen ab, die auf viele Jahre viel kosten, aber nicht stabil finanziert werden können. Es steht ohnehin auf der Tagesordnung, soziale Sicherungssysteme unabhängig vom Arbeitsverhältnis zu entwickeln. Warum nicht auch bei der Pflegeversicherung? Tissy Bruns