: Rasende Pleite von Hamburg nach Berlin
■ Wissenschaftsbeirat des Verkehrsministers gegen Transrapid
Stuttgart/Berlin (dpa/taz) – Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) ist fest entschlossen, noch in diesem Frühling das Projekt durchs Kabinett zu peitschen. Auf Sachverstand kann er dann aber nicht pochen. Der wissenschaftliche Beirat des Ministeriums hält das bisher vorgelegte Konzept einer Magnetschwebebahn von Berlin nach Hamburg schlicht für eine „Mogelpackung“.
Schon die vom Transrapid-Konsortium (Thyssen, Siemens, Daimler-Benz) projektierten Gesamtkosten halten Wissmanns Hausexperten für „unvollständig“. Zusatzinvestitionen für Betriebshöfe oder Ausweichstellen seien zu knappkalkuliert worden; zu bezweifeln sei auch, daß die Trasse im Raum Berlin – wie beabsichtigt – oberirdisch realisierbar ist. Auf mehr als zehn Milliarden Mark beziffert ein Beiratsmitlied einen realistischen Ansatz.
Die 13 Wirtschaftsprofessoren der Beiratsgruppe „Verkehrswirtschaft“ rechnen vor, daß der schnelle Magnetgleiter nur die Kassen der am Bau beteiligten Firmen füllen wird – die absehbare Pleite hätte der Staat zu tragen. „Einseitig“, so kommentierte gestern das Konsortium das Gutachten, aber auch Wissmann schwant etwas. Ahnungsvoll meint er, die Mischfinanzierung des Projekts sei „einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik“.
Einmalig dreist: 5,6 Milliarden Mark soll der Bund für den Bau der Strecke von Hamburg nach Berlin bezahlen, den Betrieb will danach die „Magnetschnellbahn GmbH“ übernehmen. Wenigstens ein bißchen: Von 1,5 Milliarden Mark der Betriebsgesellschaft wollten die beteiligten Banken und Industrieunternehmen nur 700 Millionen Mark tragen, rechnet ein Beiratsmitglied vor.
Auch für diese „bedenkliche Haftungslücke“ werden die öffentlichen Haushalte einspringen müssen. Fahren muß das Ding dann nicht mehr, das wäre noch teurer: 14,5 Millionen Passagiere sollen jährlich in den Transrapid steigen – mehr, als jede halbwegs realistische Prognose voraussagt. Gäbe es diese Passagiere wirklich, fehlten sie zuerst der Bahn, deren Vorfreude auf die neue Konkurrenz denn auch sehr geteilt ist. Vor allem Vorstandschef Dürr macht sich vorläufig noch stark für das Prestigeprojekt, das ein Exportschlager werden soll.
Alternativen für die deutsche Referenzstrecke sind nach Ansicht des Beirates bei den Planungen gar nicht erst erwogen worden. Der Neubau einer konventionellen Schnelltrasse über Boizenburg und Wittenberge würde nur etwa 2,4 Milliarden Mark kosten, meint der Beirat. Die ICE-Züge würden für die 284 Kilometer nur zwanzig Minuten länger brauchen als der Transrapid, könnten aber weit mehr Passagiere mit geringerem Einsatz von Berlin nach Hamburg bringen. nh
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen