■ Tour de Bosnie
: Militärische Landkarte

Vor dem Krieg legten bosnische Politiker im Gespräch mit Journalisten gerne die offizielle „ethnische Landkarte“ auf den Tisch. Aus ihr war abzulesen, in welchen Gebieten welche Volksgruppe welchen Anteil der Bevölkerung stellt.

Wenn man vom vorwiegend von Kroaten besiedelten dalmatischen Hinterland, der vorwiegend serbisch besiedelten östlichen Herzegowina und dem muslimischen Zipfel im Nordwesten bei Bihać absah, glich die Karte einem Leopardenfell. Vor allem in Zentralbosnien gab es kaum größere zusammenhängende Siedlungsgebiete einer Nation und nur höchst selten Städte mit absoluter Mehrheit einer Volksgruppe.

Man muß das alles in Vergangenheitsform formulieren, denn der Krieg hat eine neue Landkarte gezeichnet. Die ethnische Homogenisierung ist weit fortgeschritten. In den ersten Monaten nach Kriegsausbruch im April 1992 haben serbische Truppen und Milizen über die Hälfte des Landes besetzt und die nichtserbische Bevölkerung seither weitgehend vertrieben. Im Sommer 1992 riefen auch die herzegowinischen Kroaten ihren eigenen Staat aus, während die bosnischen Kroaten in der Regel für einen multiethnischen Gesamtstaat einstanden.

Seit der Krieg zwischen Kroaten und bosnischen Regierungstruppen voll entflammt ist, werden auch Kroaten aus vorwiegend muslimischen Gebieten vertrieben. Von den 4,35 Millionen Einwohnern Bosnien-Herzegowinas sind nach UN-Angaben heute schätzungsweise 2,75 Millionen ins Ausland geflohen oder leben als Flüchtlinge im eigenen Land (Displaced persons).

Die „ethnische Landkarte“ sieht heute so aus: die serbisch besetzten Gebiete hängen – im Norden durch einen Korridor verbunden – alle zusammen, grenzen entweder direkt an Montenegro, Serbien oder die serbisch besetzten Gebiete Kroatiens an. Die kroatisch besetzte Herzegowina im Süden und der kroatisch besetzte Zipfel der Posavina im Norden (Orasje) grenzen direkt an Kroatien.

Drei kroatische Ortschaften – Vitez, Kiseljak und Konijc – scheinen zur Zeit von bosnischen Regierungstruppen eingeschlossen. Das von diesen kontrollierte Restbosnien beschränkt sich auf das Gebiet zwischen Tuzla und Zenica, auf die Exklaven Sarajevo, Srebrenica, Zepa und Goražde sowie auf das Gebiet um Bihać. Der äußerste Nordwesten des Landes um Cazin wird von muslimischen Milizen beherrscht, die ihre Loyalität zur Regierung in Sarajevo aufgekündigt haben.

Die UNO-Truppen sind heute ausschließlich in kroatischen und von bosnischen Regierungstruppen kontrollierten Gebieten stationiert: Ein spanisches Bataillon westlich von Mostar, ein britisches in Vitez, ein französisches in Bihać, ein skandinavisches in Tuzla, ein ukrainisches in Zepa, ein kanadisches in Srebrenica und je ein ukrainisches, ein französisches und ein ägyptisches in Sarajevo.thos