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Atomunfall mangels Versicherung

Firmen wie Siemens wollen Ostreaktoren ohne besseren Versicherungsschutz nicht reparieren / Atomlobby: Bei Unfällen soll EU zahlen  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Westeuropäische Atomfirmen weigern sich, dringend notwendige Reparaturen an osteuropäischen Atommeilern vorzunehmen, weil sie sich nicht ausreichend versichert fühlen. Siemens-KWU, die französische Framatome oder die schwedische ABB haben Angst, im Fall eines großen Atomunfalls haftbar gemacht zu werden, weil kein entsprechender Versicherungsschutz für die Ostmeiler vorliegt.

Siemens-Sprecher Wolfgang Breyer erklärte gestern, selbst wenn Siemens-Ingenieure bei Arbeiten in Ostreaktoren gefährliche Fehler entdeckten, würden diese nicht eher behoben, bis sich Siemens mit einer „Haftungsfreistellung“ vertraglich abgesichert habe. „Wir bereiten uns dann nur vor, machen aber keine Arbeiten.“ Und das kann Monate dauern.

Siemens steht mit seiner Politik nicht allein. Der Dachverband der europäischen Atombetriebe Foratom schrieb kürzlich einen Brief an die EU-Kommission, in dem die Atomlobbyisten von der EU verlangten, dieses Problem zu regeln.

Die osteuropäischen Betreiber und Staaten sollten vor Nachrüstungen künftig vertraglich für alle denkbaren Schäden haften – auch für den Fall, daß eine radioaktive Wolke bis nach Dänemark oder Bayern wehe.

Bis zu entsprechenden Entscheidungen solle die EG-Kommission die Haftung übernehmen, meint die Atomlobby.

Ohne Regelung jedenfalls würden sich die Firmen von den Reparaturarbeiten in Osteuropa zurückziehen. Die EU ist häufig Vertragspartner der Atomfirmen, weil die Reparatur der Ostreaktoren und Beratung aus den EU-Programmen Tacis und Phare bezahlt werden. Die EU hat dafür seit 1991 275 Millionen Ecu (550 Millionen Mark) zur Verfügung gestellt.

Während es bei der EU gestern hieß, alle Hilfsprojekte liefen normal weiter, war im vergangenen Juli im litauischen Ignalina tatsächlich die Nachrüstung zweier Meiler mit Brandschutzeinrichtungen abgebrochen worden. Der schwedische ABB-Konzern unterbrach die Arbeiten, weil das Parlament in Wilna keine entsprechenden Haftungszusagen gegeben hatte. Erst im Dezember hatte das Parlament beschlossen, daß Litauen als Betreiber der Meiler vom Tschernobyl-Typ die Haftung übernimmt. Die Brandschutzsysteme sollen jetzt 1994 installiert werden.

In Westeuropa haftet bei einem Unfall zunächst der Betreiber des AKW. Die Kosten für die entsprechende Versicherung trägt zum Teil der jeweilige Stromkonzern, zum Teil werden sie vom Staat subventioniert. Im Fall eines großen Unfalls muß zunächst diese Versicherung ran, den großen Rest zahlt der Steuerzahler.

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