piwik no script img

■ Nebensachen aus Kairo„No smoking“ im Pharaonenland

Kairo (taz) – „Bitte“, hüstelt eine Sitzreihe vor mir im ägyptischen Überlandbus die verzweifelte Amerikanerin, „Sie sprechen doch Arabisch. Können sie den Schaffner nicht auffordern, das Rauchverbot im Bus durchzusetzen?“ Sie deutet auf das „no smoking“-Schild, das gerade noch hinter den Rauchschwaden zu erahnen ist. Stolz und beständig ziert es den oberen Teil der Windschutzscheibe. Ein Blick auf den Schaffner, der dem Fahrer gerade kollegial eine Zigarette anbietet, zeigt: Die Schlacht ist bereits verloren. „Nein“, schüttle ich den Kopf, „das ist hier alles ein bißchen anders als in New York.“ Das Schild wird wahrscheinlich gleich von der Firma mitgeliefert, die den Bus irgendwo in Europa zusammengeschraubt hat. Das gehört sozusagen zur Serienlieferung. Hier werden derartige Verbotsschilder getrost ignoriert.

Das Land der Pharaonen ist ein wahres Raucherparadies. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO rangiert es hinter Griechenland auf Platz zwei im Blauer-Dunst-Verbrauch. Satte 140 Milliarden Zigaretten lösen sich links und rechts des Nils jährlich in Rauch auf – Wasserpfeifen nicht eingeschlossen.

Wenn es nach Wunsch einer kleinen Gruppe passionierter Nichtraucher geht, ist es mit dem „Qualmen ohne Grenzen“ demnächst vorbei. Hussein Schahata ist einer von ihnen. Er marschiert mit seinem Köfferchen durch die Kairoer Innenstadt. Drinnen wartet die Demonstrationspuppe Johnny auf den Einsatz. Wenn Johnny raucht, färbt sich sein weißer Baumwollstoff blitzschnell teerschwarz. So wie die Lungen des überraschten Rauchers, den Schahata eifrig an irgendeiner Straßenkreuzung aufgegriffen hat. Tausende, so Schahata, sollen nach einem solch vertraulichen Gespräch mit ihrer mörderischen Gewohnheit gebrochen haben.

Schahata ist kein Einzelkämpfer. Wer in Kairo über Rauchen redet, der redet auch über Salah Al Montasser, den ehemaligen Chefredakteur der renommierten Zeitschrift Oktober. In regelmäßigen Kolumnen schreibt er rund um – oder besser gesagt: gegen die Stäbchen. Seine erste Zigarette habe er mit 16 Jahren an einem der ägyptischen Mittelmeerstrände entfacht. Aus Schüchternheit. Eigentlich wollte er damals nur dem „Mädchen seiner Träume“ imponieren. „Ich und die Zigarette – zu zweit schienen wir stärker zu sein“, schreibt er heute. Die junge Frau ging unbeeindruckt ihres Weges, der Kolumnist den seinen. 18 Jahre lang war er danach Kettenraucher. Ja, ja, so schnell passiert's. Jetzt organisiert der mittlerweile suchtfreie Pensionär Anti-Raucher-Demonstrationen in einem Nobel- Sportklub auf einer Kairoer Nilinsel. Schade nur, daß der paffende Busschaffner sich den Eintritt zu derartig exklusiven Veranstaltungen nicht leisten kann. Womöglich ist er nicht einmal in der Lage, die leidenschaftlichen Anti-Raucher-Kolumnen lesen.

Doch auch die Kairoer Stadtverwaltung ist mittlerweile auf den Nichtraucher-Trip gekommen. In den städtischen Bussen ist der Glimmstengel inzwischen tatsächlich verboten worden. Das hat sich bei den meisten Fahrgästen jedoch längst noch nicht herumgesprochen. Und warum sollten nun die vorher bedeutungslosen „Rauchen verboten“-Schilder auf einmal befolgt werden? Um ihrer Forderung Nachdruck zu verschaffen, arbeitet die Verkehrsverwaltung deshalb eng mit der Polizei zusammen. Zehn „Schnelle Eingreifeinheiten“ versuchen, das Problem in den Griff zu kriegen. Jeweils ein Offizier und drei „normale“ Polizisten machen sich täglich auf die Suche nach den Unverbesserlichen, die immer noch in den Bussen der Idee von „Freiheit und Abenteuer“ nachhängen. Mit zehn Pfund Strafe (umgerechnet fünf Mark) – für manchen ein mehrfacher Tageslohn – ist jeder Rauchsünder dabei. Doch Yussuf Mahmud, der Chef des öffentlichen Kairoer Verkehrsverbundes, gibt zu, daß sich das Unternehmen schwierig gestaltet. Bei 4.700 Bussen, 49 Trambahnen, 41 Nilfähren und 181 Busstationen ist das wohl auch kein Wunder.

Bleibt die Hoffnung, daß demnächst irgend jemand eine vehemente Anti-Auto-Kampagne startet. Neulich erzählte jemand von einer Statistik der dreckigsten Stadtlüfte der Welt: Luftverschmutzung gemessen in Zigarettenschachteln. Einen Tag tief durchatmen in der Kairoer Innenstadt entsprach demnach dem Konsum eines Päckchens Zigaretten. Karim El-Gawhary

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen