■ Normalzeit: Umbenennung des „Torpedokäfers“?
Am vergangenen Wochenende wurde in der Dunckerstraße endlich das „Café Torpedokäfer“ eröffnet. Es wird von Stephan Döhring, Bert Papenfuß und dem Basisdruck-Verlag betrieben. Das überwiegend schwarz und jungkünstlerisch auftretende Publikum war zahlreich erschienen. Françoise Cactus und ihre Combo unterhielten sie mit ebenso leisen wie nachdenklichen Liedern. Noch während der Café- Renovierung, die sich hinzog (es gab Probleme mit einem allzu dubiosen Zwischenvermieter) hatte man wiederholt den Namen „Torpedokäfer“ torpediert. Der mit einem guten Instinkt ausgestattete Schappi, Peter Wawerzinek, schlug den – weitaus besseren – Namen „Café Döhring“ vor: „Den kann man sich wenigstens merken!“
Intelligenter Hintersinn
„Torpedokäfer“, das ist der Titel der Autobiographie von Franz Jung: „Revolutionär und expressionistischer Dichter“, so der Klappentext des später in „Der Weg nach unten“ umgetitelten Werkes. Mit dem „Käfer“ war auf ein Insekt angespielt, das auf seinen „Hochzeitsflügen“ laufend gegen irgendwelche Hindernisse knallt, aber sich meistens wieder aufrappelt. Eine Vorkriegs-Metapher für den „Beautiful Loser“: den immer wieder scheiternden (genialen) Mann, der den ewigen SpießerInnen himmelhoch überlegen sich fühlt. Gegenüber dem Café-Betreiber-Kollektiv und ihrem Faible für Franz, der übrigens in den Fünfzigern im Schleswig-Holsteinischen an Kehlkopfkrebs starb – zuletzt hatte er mit Jens Petersen, damals Landwirt, jetzt Galerist und Satanist in Charlottenburg, irgendwelche aufrührerisch-pornographischen Schriften raubgedruckt, hatte ich mehrfach eingewandt, daß Jung bloß immer mit dem Scheitern und dem Risikospiel kokettierte. Als Beweis diente mir vor allem ein „Lebenslauf“ von Jung selbst, den eine Krankenschwester mir mal aus dem Archiv der Bonhoeffer-Heilstätten kopiert hatte: Mit Hilfe eines befreundeten Arztes hatte Jung Irresein vorgetäuscht, um nicht als Soldat an die WK1- Front geschickt zu werden. In seiner „Lebenslauf“-Akte, die mir weitaus ehrlicher zu sein schien als seine veröffentlichte Biographie, schrieb er, daß er seine Freundin mit völlig überspannter Eifersucht zermürbe. Im „Torpedokäfer“ steht es genau andersherum: da machte Margot, so hieß sie, ihm das Leben mit ihrer Eifersucht zur Hölle. Daran schließen sich philosophische Betrachtungen über das Weib an sich an. Grauenhafter Dichter- Mist! Auch die Darstellung des Todes seiner Tochter scheint mir verlogen zu sein.
Schärfster Protest gegen das Caféhausdichter-Vorbild Jung kam vom Widerstandsforscher H.D. Heilmann, aus dem Mielke- Verteidigungskomitee, der seinerzeit noch mit Dichterwitwe Cläre Jung den „Fall verhandelt“ hatte: „Der ist nicht gescheitert, der ist in Budapest Gestapo- Agent gewesen, und vorher hat er im Wirtschaftsteil des Völkischen Beobachters veröffentlicht.“ Für Heilmann gehört Jung zu den üblen Schreiberlingen. Wir waren uns allerdings fast einig, daß es nicht ohne tieferen Sinn ist, wenn gerade Stephan Döhring und Gert Papenfuß, über die Sascha Anderson seinerzeit IM-berichtete, die ihn jedoch beide – im Gegensatz zu den feigemutigen Wadenbeißern des Feuilletons – deswegen heute nicht verdammen (dafür jedoch schon mal mit dem Gedanken liebäugelten, Andersons Lyrikkonsortium „Galrev“ an den Basisdruck-Verlag anzukoppeln...), wenn also ausgerechnet diese beiden sympathisch- seismographischen Graphomanen den programmatischen Projekttitel „Torpedokäfer“ als kalten Café wieder neu auflegen. Bert Papenfuß hatte unlängst anläßlich der Prenzlauer Berg- „Schwundgeld“-Aktion noch gemeint, die Szene dort sei gegen Gentryfikation „resistenter“ als die in Kreuzberg etwa.
Zeit(licher) Fauxpas
Dagegen konnte ich erst einmal nichts einwenden, allein, das Wochenblättle Die Zeit verbesserte seine Einschätzung, als Zitat, später genau ins Gegenteil. Was dann wie ein Verrat meinerseits aussah. Schon damals verwunderte mich diese Umdrehung ziemlich, denn die in Hamburg müssen doch jede Menge Korrektoren und sonstige Kontrollorgane in ihren Redaktionen sitzen haben, dachte ich. In der taz hätte ich sie als Freudsche Fehlleistung des Produktionsapparates abgetan – und gleich den nächsten (Text-)Anlauf genommen. Am Samstag wird das Café Torpedo erneut eingeweiht. Helmut Höge
Wird fortgesetzt
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