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Hamburger Wunder: „Hafen bleibt“

Die Hamburger Hafenstraße wird doch nicht geräumt / SPD-Bürgermeister Henning Voscherau vollzieht einen politischen Salto vitale / Aus BesetzerInnen werden ArchitektInnen  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Hamburgs Touristenattraktion Nummer eins bleibt Bewohnern, Stadt und Reisenden nun wohl endgültig erhalten. Mit einem überraschenden Solo-Vorstoß zog SPD-Bürgermeister Henning Voscherau am Freitag das Damoklesschwert von Räumung und Abrißbirne von den bunten Häusern an der Hafenstraße bei den Landungsbrücken zurück.

„In einem gewunden formulierten Text, veröffentlich in Springers Hamburger Abendblatt, outete der Stadtchef seine 180-Grad-Wende: Ein „spürbarer Stimmungsumschwung“ in der Stadt und eine unzweifelhafte „Entspannung“ in und um die Häuser lege es nahe, sich ein dem „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ verpflichtetes, „zweckentprechend aktualisiertes Verfahren“ zu überlegen. Bevor die Stadt ganz endgültig auf Abriß und Räumungstitel verzichtet, will Voscherau nur eins noch geprüft wissen: „Ist es den Bewohnerinnen und Bewohnern ernst mit Gewaltverzicht und selbstbestimmtem Leben in guter Nachbarschaft und neuer Friedlichkeit? Wenn das so käme, wären wir nicht alle froh?“ Testfall wird die Bebauung einer Fläche direkt neben den bunten Häusern sein. Voscherau düpiert mit seinem Vorstoß neben der CDU, die ihn umgehend des Wortbruchs bezichtigte, vor allem die Hardliner in den eigenen Reihen. SPD-Fraktionschef Günter Elste beispielsweise, von dem Outing seines Ex-Räumungskollegen total überrascht, konnte es zunächst kaum glauben, versprach dann aber, den Vorstoß des Stadtchefs nicht zu blockieren.

Voscherau: „Wenn sich die Bürgerschaft meinen Versuch zu eigen macht, sind die Bewohner selbst ihres Glückes Schmied.“ Voscheraus Vorstoß verrät präzises Timing. Erst vor zehn Tagen war die Hafenstraße endgültig mit dem Versuch gescheitert, die Räumung juristisch zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht weigerte sich, eine Verfassungsbeschwerde gegen die vorliegenden Räumungstitel anzunehmen. Damit war die Stadt gezwungen, selbst eine klare Haltung zur weiteren Zukunft der einst besetzten, dann legal von der Stadt vermieteten und schließlich wieder gekündigten Häuser einzunehmen. Voscherau war in einer unangenehmen Zwickmühle: Sein Versprechen von der Räumung widersprachen dem Koalitionsvertrag mit der Statt Partei und der Stimmung in Stadt und Stadtteil. Eine Vielzahl von Gesprächen hatte ihm signalisiert, daß die Hafenstraße von einer Mehrheit längst nicht mehr als Problem gesehen wurde und statt dessen die Angst umging, Hamburg könne seine internationale Reputation durch Straßenschlachten auf Spiel setzen. Voscheraus Zukunft als Bürgermeister oder gar Bundesinnenminister unter Scharping war gefährdet.

Die Hafenstraße hatte zwar Probleme mit dem „oberlehrerhaften Ton“ von Voscheraus „Angebot“, freute sich aber schriftlich schon mal „über den Sinneswandel von Politikern“. Die Hafenstraße will allerdings weiterhin ihr Genossenschaftsmodell für die Bebauung der Nachbarschaft diskutieren lassen. Wie gewohnt hielten sich die HafensträßlerInnen nicht mit bloßem Wollen auf und präsentierten am Samstag ihr Modell in einem gemieteten Saal direkt neben dem SPD-Parteitag zur Wahl der Bundestagskandidaten. Die GenossInnen zeigten sich begeistert.

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