: Strompreis-Dumping für die Alu-Werke
■ Geheimverhandlungen: HEW wollen nur 6,5 Pfennige für ihren Atomstrom Von Florian Marten
Ein hochgeheimes Geschäft im Wert von mehreren 100 Millionen Mark steht kurz vor dem Abschluß. Wie die taz aus mehreren gewöhnlich bestens unterrichteten Quellen erfuhr, haben sich die Hamburger Aluminiumwerke (HAW) und die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) auf Druck des Senats nach mehrmonatigen Verhandlungen auf einen unterschriftsreifen neuen Stromtarifvertrag geeinigt. Die HAW sollen ihre 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom, das sind 40 Prozent des Verbrauchs der gesamten Hamburger Industrie und 13 Prozent des gesamten Hamburger Stromverbrauchs, zukünftig zum Preis von 6,5 Pf je Kilowattstunde (kWh) erhalten. Weitere Abschläge von diesem Preis sind erforderlich, wenn der Weltmarktpreis für Hüttenaluminium fällt.
Die Verhandlungen waren erforderlich geworden, weil 1995 ein 20-Jahresvertrag zwischen HEW und HAW ausläuft. Zunächst hatten sich die aktuellen Verhandlungen bei 5,5 Pfg./kWh festgefahren. Mehr, so das HAW-Management, sei betrieblich keinesfalls zu verkraften. Die Idee einer Gleitklausel nach unten (6,5 Pfg. mit Abschlägen nach Weltmarktlage) brachte jetzt den Durchbruch. Mit diesem einsamen Dumpingpreis soll der Stromgroßverbraucher mit seinen insgesamt 700 Arbeitsplätzen und dem angeschlossenen Walzwerk Reynolds (500 Arbeitsplätze) im Hamburger Hafengebiet gehalten werden.
Normale industrielle Großkunden zahlen deutlich über 10 Pfg. je KWh. .Jeder Pfennig Stromsubvention für die HAW kostet 17 Millionen Mark im Jahr. Nach Ansicht von Fachleuten müßten die HEW selbst im Fall der Kalkulation per Deckungsbeitragsrechnung, welche nur die variablen Kosten (Brennstoff, Wartung etc.), nicht aber die Fixkosten berücksichtigt (Bau und Entsorgung AKW Stade, Leitungen, Verzinsung Fremdkapital etc.), deutlich mehr, mindestens 8 bis 10 Pfennige verlangen. Bei Stillegung und Stillstandszeiten des AKW Stade ist auch diese Kalkulation nicht zu halten.
„Wir können uns im Super-Wahljahr keine Diskussionen über die Schließung eines Großbetriebes leisten“
Ob die HEW wie schon einmal 1973 erneut einen direkten Ausgleich für ihre Verluste von der Stadt verlangen können, erscheint fraglich. Voraussichtlich werden indirekte Ausgleichsmaßnahmen gefunden. In jedem Fall dürfte sich die Kommission der Europäischen Gemeinschaft für den neuen Hamburger Subventionsdeal interessieren. Der Sache nach ist ein Verstoß gegen die Beihilfe-Verordnung der Europäischen Union gegeben, welche direkte staatliche Subventionen für die laufende Produktion verbietet.
Wie bei den Hamburger Stahlwerken (HSW) nimmt die Stadt für ihre Subvention deshalb den Umweg über ein Staatsunternehmen, die HEW. Ein Trick, der formal die Prüfer zufriedenstellen könnte. Mit billigem Strom (HEW), billigen Geländepachten (staatliche Liegenschaft) und risikolosen billigen Krediten (per Staatsbürgschaft gesicherte Kredite der staatlichen Hamburger Landesbank) verfügt der Senat denn auch über Subventionsinstrumente, die fast jedes Unternehmen glücklich machen und dennoch Gnade vor den Augen der EU-Kommission finden können.
Der Subventionsdeal dürfte bei Betriebsräten, IG Chemie (organisiert die Hütte) und IG Metall (organisiert das Walzwerk) großes Erstaunen auslösen. Intern hatten viele längst damit gerechnet, daß eine Schließung der Hütte unvermeidbar sei. Die IG Metall hatte sich schon darauf eingestellt, Kräfte zur Verteidigung des Walzwerkes zu mobilisieren, das angeblich auch mit per Schiff zugeliefertem Aluminium noch wettbewerbsfähig wäre.
In Kreisen des Senats kursiert jedoch ein ganz anderes Szenario: „Die jährliche Kündigung des neuen Vertrags“, so ein Insider, „das ist doch der springende Punkt“. Mit anderen Worten: Sowohl das HAW-Management (ihm liegen attraktive Angebote aus Kanada, Australien und Venezuela vor) als auch Senat und HEW können den Deal vergleichsweise kurzfristig kippen.
„Wichtig“, so einer unserer Informanten weiter, „war uns vor allem eins: Wir können uns im Wahljahr 1994 doch nicht die Diskussion über die Schließung eines Hamburger Großbetriebs leisten, zumal wenn der Bürgermeister vor und nach der Wahl mehrfach versprochen hat, die Aluminiumproduktion in Hamburg zu halten“.
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