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„Moderate Militärs“ in Guatemala im Aufwind

■ Hardliner in der Armee abgesetzt

Managua (taz) – Auch nach acht Jahren Zivilregierung passiert in Guatemala nichts, ohne daß die Militärs ihre Finger im Spiel hätten. Und wenn ein hoher Militär vorzeitig abberufen wird, dann stecken da in aller Regel armeeinterne Machtkämpfe oder Verschwörungen gegen die Staatsführung dahinter. Als Präsident Ramiro de León Carpio jetzt die Absetzung des Generals José Luis Quilo bekanntgab und General Marco Antonio Gonzalez zum neuen Stabschef ernannte, löste das jede Menge Spekulationen aus.

„Zum sechsten Mal werde ich gefragt, und zum sechsten Mal gebe ich zur Antwort, daß es keinen Putschversuch gegeben hat“, verkündete de León zwar genervt bei einer Pressekonferenz. Die Spekulationen aber kamen nicht von ungefähr. Erst wenige Tage vorher hatte Verteidigungsminister Mario René Enriquez eröffnet, daß im November verschiedene Politiker in den Kasernen um Unterstützung für einen Staatsstreich angeklopft hätten. Ihr Ziel war damals, ein Verfassungsreferendum für vorgezogene Parlamentswahlen zu vereiteln. Und die Hardliner im Militär wie der nun abgesetzte General Quilo sehen sich ohnehin im Hintertreffen, seit bei der Amtsübernahme Ramiro de Leóns im Juni vergangenen Jahres die internen Machtverhältnisse neu bestimmt worden waren.

General Quilo habe zwar keinen Staatsstreich geplant, versichert ein Informant in Guatemala, doch hatte er in letzter Zeit häufig Kontakt mit zivilen Politikern, die an einer Destabilisierung interessiert sein könnten. Außerdem hatte der General öffentlich immer wieder andere Positionen vertreten als der Verteidigungsminister. Und wenn ein General etwas sagt, dann ist das in Guatemala mehr als eine Meinungsäußerung. Mit dem Sturz von General Quilo hat der „moderate“ Flügel um Verteidigungsminister Enriquez nun seine Macht konsolidiert. Für den Präsidenten bedeutet das, daß er weniger Angst vor Destabilisierungsmanövern haben muß. Gleichzeitig aber verliert er ein Stück seiner Handlungsfähigkeit gegenüber einem geeinten Militär. Und Konflikte gibt es, zum Beispiel über die Menschenrechte. Denn obwohl mit Ramiro de León ein bewährter Menschenrechtskämpfer an die Regierung gelangte, hat die Zahl der politisch motivierten Gewaltverbrechen in seiner Amtszeit zugenommen. Nicht einmal den Mord an seinem Cousin, dem Oppositionsführer Jorge Carpio, konnte der Präsident aufklären. Laut einem jüngst veröffentlichen Bericht des Menschenrechtsbüros des Erzbischofs soll Carpio vergangenen Juli von Mitgliedern der sogenannten Zivilpatrouillen ermordet worden sein. Seit Jahren fordern die indianischen Organisationen die Auflösung dieser paramilitärischen Verbände.

Lediglich in einem spektakulären Fall hat die Justiz das Prinzip der Straffreiheit, die berüchtigte impunidad, gebrochen: Letzte Woche wurde ein Ermittlungsverfahren gegen General Edgar Godoy eröffnet. Der ehemalige Chef der Präsidentengarde steht im Verdacht, der eigentliche Drahtzieher des Mordes an der Ethnologin Myrna Mack gewesen zu sein. Die Forscherin, die Kontakte zu den indianischen „Widerstandsdörfern“ in den Bergen des Departements Quiché pflegte, war im September 1990 von einem Mitglied der Präsidentengarde erdolcht worden. Der Täter war verurteilt worden – auch das schon eine Sensation –, aber die Hintermänner blieben ungeschoren. Das Verfahren war nur auf Betreiben der Schwester der Ermordeten zustande gekommen – Helen Mack hatte dafür 1992 den „alternativen Friedensnobelpreis“ erhalten. Ralf Leonhard

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