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Hilfe für einen alten Freund

Frankreich schickt Soldaten nach Kamerun wegen eines Grenzstreits / Das Land steht ohnehin zunehmend unter Pariser Vormundschaft  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Mit einer am Wochenende beschlossenen Entsendung von vorerst 30 Soldaten nach Kamerun will Frankreich einem afrikanischen Verbündeten beistehen, der sich in einen zunehmend aggressiven Grenzstreit mit dem benachbarten Nigeria verstrickt hat. Es geht um eine Reihe von Inseln und Halbinseln an der Mündung des nigerianischen Cross River in den Atlantischen Ozean. In diesem fisch- und erdgasreichen Gebiet stehen sich seit zwei Monaten nigerianische und kamerunische Soldaten gegenüber; die beiden Regierungen bezichtigen sich gegenseitig des „Angriffs“, und Kamerun kündigte am 20. Februar an, den Haager Internationalen Gerichtshof anzurufen. Die Sumpfgegend wird de facto von Nigeria kontrolliert, doch beruft sich Kamerun auf einen deutsch- britischen Kolonialvertrag von 1913 sowie ein nie ratifiziertes Abkommen von 1975, um seinen Gebietsanspruch zu belegen. Die örtlichen Fischer sind Nigerianer und beklagen Übergriffe der frisch stationierten kamerunischen Armee.

Frankreich, das den kamerunischen Anspruch unterstützt, handelt wie bereits 1981 in Erfüllung des französisch-kamerunischen Vertrages aus dem Jahre 1974, der nach einem in Afrika verbreiteten Modell militärische Unterstützung aus Frankreich unter geheimgehaltenen Umständen garantiert. Doch ist das vor allem ein symbolischer Akt und Hilfe für einen politisch und wirtschaftlich schwer angeschlagenen Präsidenten.

Bei der eigenen Bevölkerung sind Kameruns Regierende – nach der Unabhängigkeit 1960 gab es nur zwei Präsidenten, zuerst Ahmadou Ahidjo und seit 1982 Paul Biya – seit jeher diskreditiert, da sie nicht, wie in anderen ähnlichen Ländern, einer afrikanischen Volksbewegung entstammen, sondern einer von den Kolonialbehörden kreierten Gegengruppierung. Nach der Unabhängigkeit bekämpfte diese mit französischer Militärhilfe die Befreiungsbewegung UPC (Union der kamerunischen Völker) und errichtete ein straffes Einparteienregime. Das wurde zwar 1991 mit der Zulassung von Oppositionsparteien gelockert, doch die manipulierte Präsidentschaftswahl vom Oktober 1992, als Biya sogar nach eigenen Angaben nur 39 Prozent der Stimmen gewann und dennoch an der Macht blieb, hat alle Hoffnungen auf Demokratisierung getrübt. Die Regierung Biya gilt seitdem nicht nur bei den meisten Kamerunern als illegitim, sondern auch im Ausland: EG und USA stellten ihre Entwicklungshilfe ein, Weltbank und IWF kündigten ihre Zusammenarbeit auf, und das Land rutschte immer tiefer in Instabilität und Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt ist in den letzten vier Jahren um 30 Prozent geschrumpft.

Franzosen in Führungspositionen

Einzig Frankreich blieb Biya treu, der als enger Freund französischer Rechtspolitiker wie Charles Pasqua und Jacques Chirac und auch des Präsidentensohnes Jean-Christophe Mitterrand gilt; der Kameruner war der erste afrikanische Staatschef, der den französischen Premier Edouard Balladur nach dessen Amtsantritt im April 1993 besuchte. Als die Weltbank Kamerun Anfang 1993 auf die „schwarze Liste“ zahlungsunfähiger Staaten setzen wollte, auf der sich sonst nur Extremfälle wie Somalia finden, schickte Paris dem bedrängten Freund prompt 600 Millionen Francs (ca. 180 Millionen Mark), die sofort an die Weltbank flossen – eine Operation, die schon sechs Monate später wiederholt werden mußte und Ende 1993 durch einen Teilschuldenerlaß gekrönt wurde.

Gleichzeitig gerieten große Teile der kamerunischen Wirtschaft unter französische Kontrolle. Schon seit ihrem Beginn 1977 ist die Ölförderung Kameruns in den Händen des französischen Multis Elf, und französische Interessen dominieren auch die Forstwirtschaft und den Bananenanbau. Aber seit kurzem leitet ein Franzose, Raoul Ferrein, auch die führende kamerunische Bank SCB, die von Biya zu einem Selbstbedienungsladen degradiert und in die Pleite getrieben worden war. Oberster Finanzinspektor Kameruns ist inzwischen der Franzose Emile Finateu; sein Landsmann Emmanuel Picqueu führt den Staatstresor. Die Importkontrollbehörde wird von einem Franzosen geführt, ebenso die staatliche Fluglinie, die Schuldeneintreibungsbehörde und das Beschaffungsamt. Diese von kamerunischen Oppositionellen beklagte „Rekolonisierung“ hat schon zu Boykottaufrufen gegen französische Produkte geführt.

Daß die französisch-kamerunischen Beziehungen nun auch auf militärischer Ebene enger werden, bestätigt einen auch in anderen Ländern spürbaren Trend. Vor allem seit der im Januar erfolgten Abwertung der afrikanischen Währung FCFA will Paris unter allen Umständen bestehende Regimes stützen.

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