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Gericht schickt Galla hinter Gitter

■ Drei Jahre und neun Monate Haftstrafe für Ex-Chef der „Schwarzgeldklinik“ / Schelte für SPD

„Eigentlich ist das ungerecht. Wir waren wegen Galla für vier Jahre eingesperrt, und er kriegt nur drei Jahre.“ Die Kripo-Beamten aus der Ermittlungsgruppe, die hinter den Geldtransfers des Aribert Galla herrecherchiert hatten, waren nach der Urteilsverkündung ein bißchen pikiert. Grundsätzlich gehe das Urteil aber in Ordnung, hieß es auf den Fluren des Landgerichts. „Ich kann damit gut leben,“ meinte auch Staatsanwalt Volker Dützschhold.

Denn Aribert Galla landet im Gefängnis. Die Vierte Große Strafkammer des Bremer Landgerichts verurteilte den ehemaligen Verwaltungschef der St.-Jürgen-Klinik wegen mehrerer Fälle von Bestechlichkeit, Untreue und Beihilfe zur Untreue gestern zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Der ebenfalls angeklagte Hamburger Kaufmann und Gehilfe Gallas, Joachim Krauß, wurde zu einer Strafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verknackt.

Das mit Spannung erwartete Urteil gegen den ehemaligen Verwaltungschef der „Schwarzgeldklinik“ bleibt unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Galla für fünf Jahre hinter Gitter schicken wollte. Die sechsmonatige Untersuchungshaft in Bremen wurde dem Verurteilten ebenso angerechnet wie die dreimonatige Auslieferungshaft in Frankreich. Wegen der von Galla im Prozeß geschilderten schlimmen Zustände in den französischen Gefängnissen wurde ihm dieser Aufenthalt als siebeneinhalb Monate angerechnet: Unter dem Strich bleibt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und siebeneinhalb Monaten, die Galla antreten muß, wenn das Urteil rechtskräftig wird. „Dafür wird Herr Galla wohl nach Oslebshausen kommen“, meinte der Vorsitzende Richter Kurt Kratsch auf Nachfrage.

Der Galla-Prozeß geht als eines der umfangreichsten Verfahren in die Bremer Justizgeschichte ein, hieß es aus der Staatsanwaltschaft. Sechs Jahre wurde ermittelt, 30.000 Seiten Akten durchforstet, drei Staatsanwälte verschlissen und schließlich eine über 400 Seiten starke Anklageschrift verfaßt. Im Prozeß selbst spielte die „Verfahrensökonomie“ eine große Rolle: Teile der Anklage wurden wegen Verjährung eingestellt, der Komplex der „grauen Kassen“, die Galla in der Klinik angelegt und weitergeführt hatte,als nicht strafbar ebenfalls abgesondert. Insgesamt machten alle Beteiligten an den sieben Verhandlungstagen den Eindruck, das Mammut-Verfahren möglichst schnell hinter sich bringen zu wollen.

In seiner Urteilsbegründung ging Richter Kratsch auf die Behauptung des Angeklagten ein, das Geld nicht für sich selbst, sondern für Investitionen im Krankenhaus zur Seite gelegt zu haben. Diese edlen Motive nahm das Gericht dem ehemaligen Verwaltungschef für den Bereich der „grauen Kassen“ in der Klinik ab, nicht aber für seine geheimen Konten in Jersey. Von diesen habe im Gegensatz zu den „grauen Kassen“ in der St.-Jürgen-Klinik niemand gewußt und das Geld sei der Klinik auch nie zugute gekommen,. Im Gegenteil habe Galla alle Mühe darauf verwandt, die Konten geheimzuhalten und alle Spuren zu verwischen. Von der knappen Million, die Galla aus Schmiergeldern dort anlegte, hat er über 200.000 Mark in die eigene Tasche gesteckt, insgesamt entstand dem Land Bremen laut Richter Kratsch durch Aribert Galla ein Schaden von 900.000 Mark. „Der Angeklagte hat mit den Konten in Jersey seinen persönlichen Vorteil gesucht und schließlich jedes Maß verloren“, meinte Richter Kratsch.

An das politische Umfeld, in dem Galla seine Schmiergelder fordern und annehmen konnte, teilte das Gericht herbe Kritik aus: Bei der Strafzumessung sei zu Gallas Gunsten zu berücksichtigen, daß in der Gesundheitsverwaltung überall Filz geherrscht habe. Als Mitglied der „Partei, die Bremen beherrscht“ habe sich Ex-Genosse Galla mit Ex-Gesundheitssenator Brückner und dem damaligen Sprecher der Gesundheitsdeputation, Fritz Tepperwien, in einem „Beziehungsgeflecht“ befunden habe, in dem die demokratische Kontrolle durch das Parlament ausgesetzt habe. „Die Vermischung von Staat und Partei hat eine zweite informelle Struktur entstehen lassen, von der einige profitieren konnten“, meinte Richter Kratsch weiter. „Die Parteien haben auf Positionen im Staat zugegriffen, die weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Der Staat ist längst zur Beute der Parteien geworden.“

Bernhard Pötter

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