Mit möglichst großer Klugheit sparen!

■ Was erwartet Hamburgs Kultur in den Sparjahren? Wie geht es beim JAK, im Opernstreit, bei der Filmförderung weiter? Kultur- und Frauensenatorin Christina Weiss im Gespräch Von Julia Kossmann und Till Briegleb

taz: Wie ist die Befindlichkeit einer Kultursenatorin in Zeiten, da sie durch die knappen Mittel wesentliche Abstriche an den eigenen Zielen machen muß?

Christina Weiss: Es geht eigentlich weniger um die emotionale Befindlichkeit, als darum diese Herausforderung, die das Sparen in den nächsten Jahren an uns stellt, mit möglichst großem Anteil an Klugheit zu bewältigen. Ich setze darauf, daß wir durch die größtmögliche Kooperation zwischen allen Beteiligten eine Lösung finden können, die den geringsten Flurschaden verursacht. Allerdings müssen wir völlig klar der Tatsache ins Auge sehen, daß wir auf Dauer auch die Gelder für den Kulturbereich präziser einsetzen, klüger verbinden müssen, um möglichst viel von der Lebendigkeit der Kulturszene zu erhalten.

Kann im Angesicht der Sparvorlage von 800 Millionen Mark, um die der Haushalt bis 1997 reduziert werden soll, das Rasenmäherprinzip noch funktionieren?

Nein, es wird nicht möglich sein, bei allen kulturellen Einrichtungen noch weiter die Zuwendung zu minimieren. Ich bin aber sehr wohl der Meinung, daß in einigen Fällen Strukturüberlegungen verwirklicht werden müssen, die auf Dauer die Kosten senken, ohne die Einrichtung zu gefährden. Es ist hundert Prozent sicher, daß bei den Staatstheatern durch Strukturveränderungen noch einiges zu machen sein wird. Dann muß auch dieses heikelste aller Themen, die Tarifverträge, angegangen werden. Wenn wir stur an den bestehenden Strukturen festhalten, kommen wir ohne Schließungen nicht aus.

Rolf Bolwin, der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, der gerade die Reform der Tarifverträge im Theater erarbeitet, ist der Meinung, daß tarifrechtliche Änderungen kaum, zumindest keinen kurzfristigen Spareffekt haben. Nur Entlassungen und die Reduzierung wesentlicher Bestandteile des Theatersystems würden wirklich Geld sparen.

Kurzfristig nicht, das ist richtig. Aber wir brauchen auf jeden Fall langfristige Überlegungen und nicht nur irgendwelche kurzfristigen Sparerträge.

Können Sie den langfristigen Effekt konkretisieren?

An die Unbeweglichkeit und die fehlende Flexibilität - auch was den Willen betrifft - der großen Staatsbetriebe, da muß man mit der allergrößten Härte rangehen. Die Theaterleiter haben inzwischen selbst begriffen, daß mehr Flexibilität notwendig ist. Wir kommen mit diesem Besitzstandsdenken nicht weiter - weder in den Staatstheatern, noch in den Bücherhallen, noch was die institutionalisierte Stadtteilkultur betrifft. Es wird keinem etwas anderes übrig bleiben, als sich bereit zu erklären, an solchen Überlegungen teilzunehmen und sie auch von sich aus anzustellen.

Sehen Sie in der Frankfurter Politik, die Spartentrennung aufzuheben und die Theater zu einer großen Organisation zusammenzuführen, einen Weg für Hamburg?

Wenn der gemeinsame Hut nichts anderes ist als die Sparkontrollinstanz, das bringt nichts. Dann möchte ich lieber jeden einzelnen in die Verantwortung nehmen, zu sparen, was ihm möglich ist, aber er soll seine freie Arbeit machen.

10 bis 20 Millionen weniger Etat bis 1997

In welcher Größenordnung wird die Kulturbehörde an den Ein-sparungen beteiligt sein?

Die Auflage kann irgendwo zwischen 10 und 20 Millionen liegen. Schon wenn es über 15 Millionen geht, werden die Einschnitte sehr massiv sein und an die Grenze dessen gelangen, was für die Stadt noch gut ist.

Werden Sie die 10 bis 20 Millionen 1995 einsparen müssen oder innerhalb des Zeitraums bis 1997?

Das ist auf Dauer. Die Summe bis 97 wird sicher höher liegen als 10 und ich hoffe niedriger als 20 Millionen. Wie die solidarische Zusammenarbeit beim Sparen im Senat jetzt angefangen hat, achten wir alle darauf, daß es eine einigermaßen klare und gerechte Verteilung dieser Sparerträge ergibt.

Wäre nicht jetzt, gerade unter der Not des Sparens, der richtige Zeitpunkt, um Institutionen, die künstlerisch nicht das erreichen, was man sich von ihnen verspricht, zu schließen, damit anderen Subventionsempfängern die Möglichkeit gegeben wird, auf gesunder Basis zu arbeiten?

Das wollen wir. Klug sparen heißt, dort nicht weiter zu machen, wo man sieht, daß etwas nicht funktioniert. Aber außer den ganz Großen, den drei Staatstheatern und den öffentlichen Bücherhallen insgesamt, hat keine Einrichtung wirklich viel Geld. Wenn ich mich viermillionenweise vorsparen muß, dann ist das eine Katastrophe, die bedeutet, mehrere Einrichtungen zu schließen, und das bedeutet wiederum einen Verlust in der Breite. Es hat keinen Sinn, ein Museum für die Gegenwartskunst zu haben, gleichzeitig aber keinem einzigen jungen Künstler die Möglichkeit zu geben, in dieser Stadt zu arbeiten.

Es ist eine Schwäche in Deutschland, daß allgemein unterschätzt wird, wie dieses Land von den Leistungen der Kultur profitiert. Es sind die kulturellen Institutionen, die wirklich Identität, Wertestrukturen, kritisches Bewußtsein schaffen. Es sind ganz wertvolle Orte zum Heranbilden eines Gemeinschaftsgefühles, das die Gesellschaft trägt.

Wir hatten beim Hamburger Senat in den letzten Jahren nicht immer das Gefühl, daß man sich dessen dort so bewußt ist.

Ich bin zwar unterstützt worden, ich fühle mich auch nicht in die Ecke gedrängt oder als lästiges Beiwerk behandelt, das kann ich nicht behaupten. Aber ich spüre natürlich auch diese populistischen Meinungen, dieses „Wenn's uns schlecht geht, brauchen wir doch erstmal am wenigsten die Kultur.“ Das ist fatal.

Gibt es Institutionen oder Bereiche, die Sie unbedingt aus dem Sparen heraushalten wollen?

Es war natürlich auch eine politische Aussage, daß wir uns 1994 geeinigt haben, bestimmte Punkte von vornherein auszunehmen. Dazu gehörten Frauenkultur, Ausländerkultur, Stadtteilkulturzentren, sowie die Institutionen, die die neuen Räume in der Markthalle bezogen haben - also BBK, Freie Akademie der Künste und Kunstverein, weil wir noch nicht wissen, wie sie mit den Räumen umgehen können. Wir haben die Deichtorhallen ausgenommen, weil die an einem unteren Limit arbeiten, und Kampnagel, weil es einen neuen Intendanten gibt. Und nach Möglichkeit alle die Töpfe, die freie Projektförderung sind, damit Projekte, auch unerwartete Projekte, stattfinden können.

Gesicherte Zukunft für freie Projekte

Nach welchen inhaltlichen Kriterien sparen Sie?

Ich möchte am wenigsten da sparen, wo die Bewegung stattfindet, und am meisten da, wo es starre Institutionen gibt, denn wir müssen die Institutionen wieder in die Flexibilität zurückführen. Ich will nicht da sparen, wo es an die Akzente geht, die wir in der Gemeinschaft und für ein kritisches Gemeinwesen setzen müssen. Deshalb möchte ich so viele der freien Projekte weiter fördern.

Kommen Einsparverpflichtungen bei den Investitionsmitteln, insbesondere bei der Kunstinsel, am Museum der Arbeit und beim Helms-Museum auf Sie zu?

Es würde keinen Pfennig Ein-sparung erbringen, wenn man den Bau der Museumsinsel verzögert. Dann wird es nur teurer. Das gilt auch für die beiden anderen Projekte. Darin herrscht Konsens.

Was erwartet die Bücherhallen?

Ich denke, daß wir bei den Bücherhallen ebenfalls ganz ganz straff in die Struktur gehen müssen. Schließlich bekommen die 50 Mio. Mark jedes Jahr, da werden sie sich einen Blick in die Tiefe gefallen lassen müssen.

Denken Sie bei Einsparungen auch an Umstrukturierungen innerhalb der Behörde?

Ja, natürlich. Wir werden unglaublich stark an die Personalkosten gehen. Wie alle Behörden. Jeder einzelne muß mehr arbeiten.

Jacomo Hollinger, der Kulturausschußvorsitzende der Statt Partei, hat ja gerade in diese Richtung sehr provokante Thesen formuliert: Er meint, man müßte eine Behörde wie ein Wirtschaftsunternehmen strukturieren.

Wenn man rein privatwirtschaftliche Grundsätze auf den öffentlichen Dienst anwenden würde, dann würde das natürlich heißen, daß man Leute entlassen kann, wenn die Arbeitsleistung nicht entsprechend ist. Ob wir das anstreben wollen, ist eine andere Frage. Für mich würde es Sinn machen, wenn wir uns durchringen könnten, ab einer bestimmten Gehaltsgruppe kein dreizehntes Monatsgehalt zu zahlen. Wir könnten gemeinsam und solidarisch einen Schritt weiter kommen. Das wären eigentlich die Dinge, die zu tun wären. Aber wir wissen alle, daß solche Lösungen schier unmöglich sind.

Gibt es Kontroversen mit der Statt Partei über Ihre Politik?

Wir haben uns durch Gespräche jetzt schon weitgehend angenähert. Es ist bei den Vorschlägen der Statt Partei vieles dabei, was man sich, wenn man mit einem Gebiet der politischen Arbeit neu konfrontiert wird, als leicht veränderbar vorstellt. Ich habe die unangenehme Aufgabe, darauf hinzuweisen, daß es eben nicht so leicht ist.

Eine zentrale Stelle für Filmförderung

Hat sich die Kooperation mit dem Mediensenator und der Wirtschaftsbehörde bezüglich der Filmpolitik gebessert?

Wir sind schon jetzt einig darüber, daß Hamburg ein gemeinsames, einheitliches Profil der Filmförderung nach außen braucht. Das hat es immer noch nicht. Deshalb sitzen wir jetzt an einem Tisch, um über gemeinsame Ziele zu reden. Das ist ein Riesenfortschritt. Es wird alles richtig von neuem diskutiert: wer wo mit welchen Mitteln wie was fördert. Und für diese Koordinierung brauchen wir eine zentrale Stelle für die Filmförderung, und die wollen wir auch einrichten. Wie das letztlich aussieht, das ist noch offen. Wenn ich mir aber überlege, wie die Debatte vom Großkrach bis jetzt lief, dann ist das schon eine enorme Wandlung.

Viele Zuwendungsempfänger in der Filmszene fühlen sich eher unbeachtet von der Kulturbehörde. Warum gibt es nicht einen runden Tisch im Medienbereich, mit Produzenten, Filmbüro, Programmkinos und kommunalem Kino?

Das wird es sicher geben. Ich nehme an, daß es keine strukturelle Veränderung geben wird, ohne daß es solche Tische gibt. Hat es ja im letzten Jahr auch gegeben.

Opernstreit: „Ich wanke nicht!“

Wie geht es im Streit um die Intendanz an der Oper ab '97 weiter?

Ich fand und finde Peter Ruzicka noch immer toll, ich fand auch seine Arbeit gut und ich fand das Team Albrecht/Ruzicka ganz wunderbar. Aber wenn aus solchem Team einer abbricht, dann muß man schon das Recht haben, mit der anderen Hälfte zu diskutieren, wie es weitergehen soll. Nun hat sich Herr Ruzicka an eine einzige ausschließliche Lösung gebunden, mit der ich meine Probleme habe: Semyon Bychkov. Wir sind mit Herrn Bychkov immer noch nicht definitiv am Ende, aber ich bin der Meinung, daß ganz genau zu überlegen ist, ob das, was uns angeboten wird, in einer sinnvollen Relation steht zu dem, was wir verlangen müssen.

Daß er seinen Posten in Paris nicht aufgeben will...

Erstens die zwei Posten, zweitens eine sehr hohe Summe, drittens nur Halbjahrespräsenz und viertens, daß er gleichberechtigter Geschäftsführer sein will. Das sind Dinge, die ich keineswegs als selbstverständlichzu akzeptieren bereit bin. Entscheidend für mich aber ist, daß ich mit Johannes Schaaf und Albin Hänseroth sowie Ingo Metzmacher eine Alternative bieten kann, die ich, und nicht nur ich, nach wie vor toll finde für die Hamburgische Oper: frisch, aufgeladen, kämpferisch und mit neuen Ideen - d.h. natürlich nicht nur neue Musik und neue Opern, sondern ein neuer Blick auf das ganze Repertoire. Ich wanke nicht! Ich halte Ingo Metzmacher für einen der interessantesten Dirigenten in Deutschland. Wenn wir ihn für uns gewinnen könnten, wäre das ein Glücksfall für Hamburg.

Sehen Sie einen Weg aus der Zwickmühle heraus, daß das Orchester Metzmacher nicht will?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß das Orchester Metzmacher sehr schätzt, sich aber durch die absolute Fixierung auf Bychkov überhaupt nicht mit einer anderen Lösung auseinandersetzt.

Wie ist der Stand beim Jugendtheater auf Kampnagel?

Es gibt jetzt ein neues Angebot von Jürgen Zielinski, was nicht ganz unproblematisch ist. Dieses Angebot heißt: Fortführung des Status quo. Das können wir natürlich machen. Wir wollten aber eigentlich gerne aus der Vorläufigkeit rauskommen. Aber wir können uns in dem Konflikt der Verselbständigung nicht einigen. Ich hab ganz klare Anweisungen durch den Senatsbeschluß, was ich bieten kann. Ich habe dieses Angebot aufrecht erhalten und auch von den Kürzungsmaßnahmen ausgenommen.

Was heißt Status quo konkret?

Das Jugendtheater auf Kampnagel als Provisorium fortschreiben, immer noch mit Aussicht, irgendwann einmal eine andere Möglichkeit zu finden. Ich denke, daß Herr Zielinski in Ungeduld einfach nicht bereit war abzuwarten, wie die Kooperation mit Kampnagel wirklich gehen könnte, und er hat sie aufgekündigt, bevor sie überhaupt angefangen hat. Wir haben jetzt nochmal eine Vermittlerfunktion übernommen, um die Kooperationsbereitschaft mit Kampnagel auszuloten.

Welcher Art ist Ihre neue Arbeit als Frauensenatorin?

Die Störungsaufgabe ist die vornehmlichste. Denn Frauenpolitik gehört ähnlich wie die Kulturpolitik zu den Randbereichen, die populistisch gesehen immer zuerst auf die Seite gedrängt werden, wenn es uns schlechter geht. Wenn man plötzlich aus verlogenen Gründen die Familie wieder hochhält, nur damit die Frauen nicht die Arbeitsplätze der Männer besetzen, ist das fatal, und dagegen müssen wir uns in der Öffentlichkeit wenden. Außerdem müssen wir das Thema Frauen und Privatwirtschaft intensivieren. Was wir im öffentlichen Dienst jetzt gerade tun, nämlich spezielle Frauenförderungsprogramme, die dann auch verpflichtend sind, dazu wollen wir auch die Privatwirtschaft bringen. Hier gibt es starke Ansätze, gerade mit der Handwerkskammer bei der Mädchenausbildung. Es ist enorm, wie die Handwerksbetriebe die Fertigkeiten, die die Mädchen mitbringen, als etwas ungeheuer Positives empfinden. Das Klima hat sich völlig verändert. Frauenförderung in einem Amt heißt auch, den Führungsstil ändern und die alten Führungsstrukturen hinterfragen. Wir sind aus der Basiskampfphase heraus und jetzt geht es wirklich um Umsetzungsmaßnahmen. Ich bin da sehr engagiert. Ich hätte auch am liebsten noch mehr Zeit für die Frauen, aber das ist schwierig. Man hat wieder mal gedacht, das sind zwei kleine Bereiche, aber es sind zwei riesige Bereiche. Immerhin hat der Kulturbereich die größte Selbstverständlichkeit der Präsenz und Kooperation von und mit Frauen erreicht.