: Die Kehrseite der Privatisierung
■ Die Folgen der „inneren Bahnreform“ im Norden: massiver Personalabbau und umfangreiche Streckenstillegungen
Im Bereich der ehemaligen Bahndirektion Hamburg verrichten rund 21000 EisenbahnerInnen ihren Dienst. Ihre Leistung, Motivation und nicht zuletzt ihre Anzahl entscheiden trotz allen Einsatzes von Technik wesentlich über Qualität und Service im Angebot der Deutschen Bahn AG. Schon von daher kann es nicht gleichgültig sein, was bei der Privatisierung des weltweit zweitgrößten Verkehrsunternehmens aus den Beschäftigten wird.
Für sie wurde vom Vorstandsvorsitzenden Heinz Dürr die „innere Bahnreform“ ausgerufen, nachdem die Deutschen Bahnen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden sind. Getreu dem Motto: Jetzt geht's erst richtig los. Die Ziele dieser „inneren Reform“ bleiben aber eher diffus; so formulierte Dürr im Januar: „Die Ärmel aufkrempeln, stolz sein auf unsere Bahn.“ Wenn er konkreter wird, zeigt sich, daß er in Wirklichkeit einen massiven Arbeitsplatzabbau plant.
Sprach Dürr in einem taz-Interview vom Juni 1993 noch von 260.000 Beschäftigten als Zielvorgabe für das Jahr 2000, wurde er von Vorstandskollegen mittlerweile nach unten korrigiert – 200.000 sei der neue Richtwert. Gegenwärtiger Stand sind 370.000, wobei seit 1990 schon 125.000 Eisenbahnarbeitsplätze abgebaut wurden.
Auch der Bundesrech-nungshof mischt bei diesem Spiel noch mit: Er meint, die ehemalige Reichsbahn könne auch mit 70.000 statt der heute etwa 170.000 betrieben werden. Ob mit diesen Mitarbeiterzahlen ein flächendeckendes bundesweites Eisenbahnnetz betrieben werden könnte, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.
Die Weichen wären dann wohl endgültig gestellt in Richtung der stromlinienförmig auf die profitabelsten Bereiche zugeschnittenen Schrumpfbahn. Flächenbahn ade. Mehr Verkehr auf die Schiene? Keine Spur.
Denn mit einem derartigen personalpolitischen Kahlschlag werden Fakten geschaffen, die schon heute der Entwicklung von Konzepten zur wirklichen Förderung des Schienenverkehrs in der Zukunft den Boden entziehen. So sieht der Hamburger GdED-Bezirk jedenfalls die Hälfte aller Strecken als von Stillegung bedroht an. Sie sind mögliche Opfer der Finanznot der Länder und Gemeinden, die ab 1996 den Nahverkehr bei der Bahn AG selbst bestellen und bezahlen müssen.
Nicht alles selbst bezahlen müssen hingegen die privaten Investoren in die Bahn AG. Dies müssen die Steuerzahlenden tun: Für das Ziel, 1996/97 mit Bahnaktien an die Börse zu gehen, wird die Bahn AG die unglaubliche Finanzspritze von 326 Mrd. DM zur Tilgung ihrer Schulden erhalten. Was jahrelang als undurchführbar galt, geht plötzlich ganz schnell.
Aber nicht nur diese Rechnung wird aus Steuergeldern bezahlt. Auch die Kosten für die von der Bahn AG Entlassenen werden den Steuerzahlenden aufgebürdet. Die gegenwärtige Rekordarbeitslosigkeit verlangt aber nicht nach weiteren Entlassungswellen.
Angesichts der bereits vereinbarten Lohnsenkungen – der Ecklohn ist durch den neuen Tarifvertrag auf DM 2740 brutto gekürzt worden – erscheint allenfalls eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich für die Beschäftigten akzeptabel.
Und so ganz nebenbei widerlegt dieses Beschäftigungsszenario des Bahnvorstan-des auch - zum wievielten Mal eigentlich - das überstrapazier-te Ammenmärchen vom Lohnverzicht, der Arbeitsplätze sichern soll. Als Fazit bleibt festzustellen und zu hoffen: Herr Dürr wird es schwer haben, diese „innere Bahnreform“ den EisenbahnerInnen und der Öffentlichkeit zu verkaufen.
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