: Bürgerrechtler in der rechten Ecke
Bündnis 90/Grüne-Mitglied Wolfgang Templin gab der Rechtspostille „Junge Freiheit“ ein Interview / Marianne Birthler: „Nicht akzeptabler Schritt“ / Forderungen nach Parteiausschluß ■ Aus Berlin Uwe Rada
Berlin (taz) – Auf nahezu einhellige Ablehnung bei Bündnis90/ Die Grünen ist gestern ein Interview des ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers Wolfgang Templin in der rechten Zeitung Junge Freiheit gestoßen. Templin, bis 1992 im Bundessprecherrat des Bündnis 90 und einstiger Mitgründer der oppositionellen „Initiative Frieden und Menschenrechte“, fordert darin die Auflösung linken Lagerdenkens und die Auseinandersetzung mit der „nationalen Frage“.
Zwar erklärte Templin in dem Interview, auch für ihn gebe es „Grenzen der Gesprächsbereitschaft“, beispielsweise bei der „Relativierung von Auschwitz“, bei „linkem Fanatismus“ und „rechtem Radikalismus“. Ansonsten aber gelte es die zentralen Konfliktpunkte als Demokraten und nicht aus der Deckung des eigenen Lagers zu führen.
Mit dem demokratischen Persilschein für die Junge Freiheit steht Templin bei den Grünen weitgehend alleine da. „Es ist völlig richtig, die von Templin angesprochenen Fragen zu diskutieren“, kritisierte die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley Templins Interview, die Junge Freiheit sei aber der „falsche Ort“. Empört zeigte sich auch die Sprecherin des Bundesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen, Marianne Birthler. Templins Interview sei ein „nicht akzeptabler Schritt“, mit dem das Ringen der Jungen Freiheit um gesellschaftliche Akzeptanz unterstützt werde, sagte sie zur taz. Ludger Volmer, ebenfalls Vorstandssprecher, kritisierte das Interview als „außerhalb dessen, was toleriert werden kann“. Schließlich sei es, so Volmer, genau das Konzept der Jungen Freiheit, die rechtsradikale Marginalisierung zu durchbrechen. Mit einigem Verständnis äußerte sich lediglich der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Konrad Weiß. Zwar sehe auch er die Gefahr, von „solchen Blättern“ vereinnahmt zu werden. Das gelte für das PDS-Organ Neues Deutschland allerdings genauso wie für die Junge Freiheit.
Streit gibt es bei den Bündnisgrünen nun über mögliche Konsequenzen gegen Templin. Nach Aussage von Ludger Volmer soll es bei einer Sitzung des Bundesvorstands am vergangenen Dienstag „spontane Äußerungen in Richtung Parteiausschluß“ gegeben haben. Marianne Birthler, die zu diesem Zeitpunkt die Sitzung bereits verlassen hatte, sprach sich dagegen für „Auseinandersetzung statt Ausschluß“ aus. Konrad Weiß drehte den Spieß gar um: Wenn einer aus der Partei ausgeschlossen werden soll, so Weiß, dann sei es Ludger Volmer selbst. Der schließlich habe unter anderem die Kandidatur von Stefan Heym für die PDS unterstützt. Am kommenden Dienstag wird sich der Bundesvorstand von Bündnis90/Die Grünen erneut mit dem Interview Templins befassen. Von Templin selbst war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.
Kommentar auf Seite 10
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