Nicht nur Vorbereitungen für die Selbstbefreiung

■ Daß deutsche Kommunisten im KZ Buchenwald den Tod von Mithäftlingen verschul- deten, ist nicht erst seit dem Bemühen um „Neuprofilierung“ der Gedenkstätte bekannt

Waren einige deutsche Kommunisten als Häftlinge und illegale Funktionäre im Konzentrationslager Buchenwald an der Tötung von Kranken beteiligt? Hatten sie in ihrer Funktion Privilegien, wodurch sie den Tod von Mithäftlingen verschuldeten? Fragen, die durch die Vernehmungsprotokolle der KPD-/SED-Parteikontrollkommission aus den Jahren 1946 bis 1948 aufgeworfen werden. Die Dokumente liegen im Zentralen Parteiarchiv der PDS, „sensationell“ sind sie jedoch nicht. So erklärte der Historiker Wolfgang Wippermann von der Freien Universität Berlin, daß diese Vorgänge im Lager seit den fünfziger Jahren bekannt sind und die Dokumente selbst zahlreiche Benutzerhinweise aus früheren Jahren tragen. Daß die politischen Häftlinge im KZ Buchenwald, darunter viele Kommunisten, durch die SS zu Kontroll- und Verwaltungsaufgaben herangezogen wurden, ist auch in der DDR-Geschichtsschreibung nachzulesen. Selbstverständlich waren auch die unter der Führung der Kommunisten stehenden illegalen Häftlingsorganisationen bemüht, diese legalen Formen für die jahrelange Vorbereitung der Selbstbefreiung des Lagers zu nutzen.

Es waren ehemalige KZ-Häftlinge, die nach der Befreiung zu einer parteiinternen Untersuchung von Übergriffen aufgerufen hatten. Am 7. 11. 1946 notierten die Parteikontrolleure: Es sei „nicht ausgeschlossen, daß aus unterschiedlichen Motiven Anschuldigungen gegen (illegal – d. V.) leitende Funktionäre des Lagers erhoben werden können“. Auch Namen werden genannt. Welche Konsequenzen das für diese KPD-/ SED-Funktionäre hatte, ist ebenfalls noch nicht schlüssig geklärt.

Buchenwald-Experte Harry Stein, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gedenkstätte, warnt vor pauschalen Urteilen. Die Dokumente sollen Hinweise auf etwa ein Dutzend Namen geben. Ihr besonderer Wert bestehe darin, daß die Vorgänge im Konzentrationslager aus eigenem Erleben geschildert werden. Zentrale Frage sei die Beteiligung von deutschen Kommunisten an der Tötung von Kranken. Bis jetzt könnten über Umstände und Motive dieser Taten keine fundierten Aussagen getroffen werden. In Buchenwald wurden zwischen 1937 und 1945 60.000 Menschen ermordet. „Wir müssen uns doch fragen, inwiefern dort der Tod noch als soziales Ereignis oder nur als eine Alltagserfahrung erlebt wurde“, so Stein. Auf psychologischer Ebene sei die „Anpassung der Verfolgten an die Struktur ihrer Verfolger“ zu untersuchen, schließlich seien die deutschen Kommunisten ja nicht freiwillig im KZ gewesen. Zu fragen sei nach dem kommunistischen Menschenbild, das sich ja zwischen zwei Extremen bewege: Befreiung der Menschheit und „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns“.

Mehrere Historiker arbeiten zur Zeit an den Dokumenten. Die Gedenkstätte Buchenwald wird eine kritische Quellenedition herausbringen. Dazu läuft ein Forschungsprojekt, das 1992 in der Jahresinformation der Gedenkstätte ausgeschrieben wurde. Damals hätte die Öffentlichkeit überhaupt nicht reagiert, stellt Harry Stein fest, „erst in jüngster Zeit“, nämlich im Zusammenhang mit dem Streit um das Profil der Gedenkstätte, sei „diese Geschichte hochgepuscht“ worden. Die Quellenedition soll nach den Vorstellungen von Stein den LeserInnen über Fußnoten ermöglichen, sich ein fundiertes Urteil über die Vorgänge zu bilden. Detlef Krell