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Das Comeback einer Feministin

Wegen ihres Engagements in „Sinn Fein“ wurde die Irin Anne Speed aus der Öffentlichkeit verbannt. Jetzt meldet sie sich zurück  ■ Aus Dublin Nell McCafferty

Fast zwanzig Jahre nach ihrem Verschwinden tauchte in diesen Tagen eine Gruppe irischer Feministinnen wieder auf dem Fernsehbildschirm auf. Es sind die weiblichen Mitglieder von „Sinn Fein“, dem politischen Arm der IRA, die seit 1974 von der Regierung zensiert wurden.

Der Bann wurde aufgehoben, nachdem die Kontakte zwischen Sinn Fein und den Regierungen von Irland und Großbritannien zustande gekommen waren, die zu einem Ende des Krieges in Nord-Irland führen sollen. Damit hat eine ganze Generation irischer FernsehzuschauerInnen jetzt zum erstenmal die Gelegenheit, Leute wie Anne Speed zu Gesicht zu bekommen. Seit 1980 hatte man von ihr in der Öffentlichkeit nichts mehr gehört. In diesem Jahr war Anne Speed Sinn Fein beigetreten.

Vor dieser Zeit war Anne Speed die führende Sprecherin der radikalen irischen Feministinnen. Sie war auch die zentrale Figur hinter dem Gründungstext der „Irishwomen United“ gewesen. Das Dokument hatte im Jahre 1974 die Legalisierung von Verhütung, Abtreibung, Scheidung und Homosexualität gefordert – zu einer Zeit, als diese Themen noch völlige Tabus waren.

Später wurden all diese Themenbereiche von der Massenbewegung aufgegriffen, bekamen Rückendeckung und wurden mit wachsendem Erfolg in die Regierungspolitik eingebracht. Nicht selten steckte Anne Speeds Überzeugungskraft hinter solchen Entwicklungen.

Es ist eine Ironie der Geschichte, daß Anne Speed ihren Kampf noch einmal von vorn beginnen mußte, als sie Sinn Fein beitrat. Nur geschah es damals unter dem Vorzeichen von Klandestinität und Schweigen. Politisch entwickelte sich die Partei in völliger Isolation. Hauptsächlich war sie mit den „Kriegsanstrengungen“ befaßt. Die Tatsache, daß sie auf die katholischen Stimmen in Nord- Irland angewiesen war, beeinflußte ihre reaktionäre Haltung zu sozialer Gesetzgebung.

Als Sinn Fein jetzt aus dem Schatten trat, legte die Partei ein makelloses Bekenntnis zum Feminismus ab. Das neue radikale Image in Sachen Sozialpolitik wurde auf den Einfluß von solchen Verschwundenen wie Anne Speed zurückgeführt. Nun will man in Irland wieder wissen, wer diese Frau ist und wofür wie steht.

Der aufregendste Aspekt ihrer Rückkehr in die Öffentlichkeit ist, daß Anne Speed ihre politische Palette während der 14 Jahre, die sie in der Versenkung verschwunden war, fernab der Medien erweitert und vertieft hat. Einst war sie Angestellte eines Familienplanungs- Zentrums und einfaches Gewerkschaftsmitglied. Inzwischen ist sie berufstätige Mutter, Vollzeit-Gewerkschafterin und Führungsmitglied ihrer Partei zur gleichen Zeit. Nachdem der Bann aufgehoben ist, kann „Sinn Fein“ wieder an der öffentlichen politischen Debatte teilnehmen. Von Anne Speed wird nun erwartet, daß sie ihre feministischen Energien auf Themen wie Geld, Arbeit und Macht lenkt.

Es war allerhöchste Zeit, daß jemand mit dem Enthusiasmus, dem Engagement und dem Wissen von Anne Speed auftauchte. Denn ihr Auftauchen fällt zusammen mit dem Ende einer erschöpfenden Periode, während derer die Irinnen sich in dem alten Kampf gegen die Dreiheit von „Kinder, Küche, Kirche“ aufgerieben haben. Anne Speed, die derweil ihren eigenen einsamen Kampf in der Gewerkschaftsbewegung führte, hat eine klare Vorstellung von ihrem nächsten Ziel und dem Weg dahin: Frauenarbeit in Europa soll zu ihrem Thema werden. Denn obwohl immer mehr Frauen berufstätig sind, bleiben die Frauenlöhne niedrig.

Zum Glück kennt Anne Speed die Tricks der Europapolitik schon seit längerem. 1989 hat sie für Sinn Fein für das Europaparlament kandidiert. Bei den Wahlen erlitt sie zwar eine spektakuläre Niederlage, aber ihrem Selbstbewußtsein tat das keinen Abbruch. Hinzu kommt, daß sie unschätzbar wertvolle Erfahrungen sammelte. Der persönliche Kontakt mit Tausenden von WählerInnen gab ihr einen Überblick über deren Wünsche.

Jetzt sitzt Anne Speed in der Friedenskommission von Sinn Fein, die öffentliche Hearings über die „nationale Frage“ in Nord- und Süd-Irland veranstaltet. Ihr Ziel ist es, den Krieg zu beenden und eine Form für das künftige Irland zu entwickeln. Die Fragen, die Anne Speed stellt, machen deutlich, daß sie dafür sorgen will, den Frauen einen gerechten Anteil an den kommenden Friedensdividenden zu verschaffen.

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